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Wie Engel uns lieben
ISBN 3-426-66652-9

Leseprobe aus dem Buch:

  • Vorwort zur neuen, überarbeiteten und erweiterten Auflage
  • 1. Kapitel

Vorwort zur neuen, überarbeiteten und erweiterten Auflage

Meine Lieben,
wir sind nicht allein. Nicht nur, weil wir unsere Engel um uns haben, nein, wir sind auch von immer Menschen umgeben, die keineswegs nur an Engel glauben, sondern Engel erlebt haben. Die Zeit der Heimlichkeiten ist auf jeden Fall vorbei. Ist Ihnen das auch schon aufgefallen?

Genauso finde ich es herrlich, daß es immer mehr Engelbücher gibt; denn auch dies bedeutet, daß die Zahl der Menschen, die sich für Engel interessieren, stetig größer wird.

Man spricht heute über Engel fast so selbstverständlich wie über das Wetter. Engel sind ein akzeptables Gesprächsthema geworden; und wir, die wir Engel lieben, haben gemerkt, daß wir „doch nicht so ganz verrückt sind“.
Nun ja, wir sind schon ein bißchen seltsam, nicht wahr?
Das wohl Seltsamste an uns ist aber, daß wir versuchen, „normal“ zu sein. Wir schauen uns die anderen an und versuchen, uns anzupassen. Wir basteln uns regelrecht eine Persönlichkeit zusammen, an der wir mit der Zeit zu ersticken drohen. Somit unterdrücken wir viele unserer Erlebnisse und Erfahrungen, und manchmal haben wir sogar unsere Intuition in die hinterste Schublade unseres Seins gesteckt.

So ging es mir auch: Ich versuchte, so zu sein, wie ich es bei den anderen sah. Doch das klappt nicht. Die anderen machen nämlich oft dasselbe. Wir sollen in diesem Leben vielmehr lernen, aus der Hülle der Erwartungen anderer und natürlich auch überkommener Gesellschaftsnormen herauszuschlüpfen und uns selbst so zu zeigen, wie wir wirklich sind. Das läßt sich mit der Raupe und dem Schmetterling vergleichen. Als Raupe könnten wir uns vielleicht gar nicht vorstellen, wie es denn ist, zu fliegen. Und doch weiß die Raupe tief in ihrem Sein, daß dies ihre Bestimmung ist.

Auch wir haben diese Flügel – bildlich gesprochen -, und unsere Engel wollen uns beim „Fliegen“ helfen.

Es ist ganz schön anstrengend, „normal“ sein zu wollen. Dabei verlieren wir unsere Individualität und werden ein Schatten unserer selbst. Wir zeigen uns nicht mit allen unseren Talenten, sondern versuchen, uns selbst so klein wie nur möglich zu halten; und das tut weh.

Wir haben es selbst gemerkt. Unser Herz, unsere Seele und unser Körper fühlen sich nicht selten unerfüllt, einsam und krank an. Wir hatten oder haben noch Angst vor dem, was „die Leute“ von uns sagen, und so sind wir zu oft still geworden und haben uns innerlich zurückgezogen. Wir fühlen uns allein und unverstanden. Doch das ist kein Wunder, denn wie sollen uns die anderen verstehen, wenn wir nicht wahrhaftig zeigen, wer wir sind? Manche von uns waren so verzweifelt, daß sie sich ins „Vergessen“ geflüchtet haben: durch Alkohol, Drogen, Sex, Besitz, Macht.

Doch auch das hat uns nur kurzfristig abgelenkt.

Engel des Lichts

Engel des Lichts


Als ich aufzuwachen begann, machte ich mir sehr viele Sorgen, was wohl „die anderen“ über mich denken könnten; und so verheimlichte ich meine Liebe zu den Engeln. Ganz am Anfang erwähnte ich mein neues Interesse meinem Mann und meinen Freunden gegenüber, und ich konnte an ihren Blicken erkennen, daß sie sich Sorgen machten. Sabrina wird doch wohl nicht verrückt geworden sein? Sie wird doch keiner Sekte verfallen sein? Das legt sich doch hoffentlich wieder?
Aber das Gegenteil war der Fall: Es wuchs und wuchs und wuchs. Wie bei einem Kleinkind, das das Gehen lernt, verlieren wir früher oder später das Interesse am Krabbeln. Unsere Seele hat unsere Persönlichkeit aufgeweckt; und einmal wach geworden, können wir nur kurzfristig so tun, als wäre nichts passiert.
So werden wir immer mutiger, denn Mut ist wie ein Muskel, der trainiert werden will. Da gibt es dann den Zeitpunkt, in dem wir unsere Engelbroschen und -ketten tragen, von unseren Erlebnissen erzählen und das eine oder andere Engelbuch erwähnen.

Kurz danach beginnen wir, offen über Engel zu reden, und dann fällt uns eines auf: Die anderen wenden sich nur selten lachend und kopfschüttelnd von uns ab, die meisten werden neugierig.

Ich konnte es am Anfang selbst kaum glauben, und mein Verstand sagte mir: „Wer weiß, was sie hinter deinem Rücken reden?“ Aber dann war es mir schon fast egal. Ich sage „fast“, weil es doch noch ein paar Jahre gedauert hat, bis es mir wirklich ganz und gar gleichgültig war.

Ich werde gelegentlich in Talkshows eingeladen, und da spreche ich über Engel wie andere über das politische Zeitgeschehen. Und ja, manche Leute staunen, und ja, manche Leute werden wohl sagen: „Die spinnt.“ Doch als ich zu meinen Engeln das erste Mal über meine Angst sprach, mich lächerlich zu machen, schickten sie mir als Antwort den Gedanken: „Und? Wo ist das Problem?“
Zuerst dachte ich, daß mich meine Engel wohl nicht richtig verstanden hätten, und so wiederholte ich meine Frage. Wieder kam der gleiche Gedanke als Antwort zurück: „Ja, wir verstehen dich. Doch wo ist das Problem?“

Ich dachte darüber nach und stellte fest, daß ich mir doch glatt einbildete, die Meinung anderer manipulieren zu können. Mein Wunsch, von allen geliebt und akzeptiert zu werden, war offensichtlich sehr stark ausgeprägt. Doch seine Erfüllung ist unmöglich: Niemand wird von allen geliebt. Und wieso verbiege ich mich dann und lebe meine Wahrheit nicht, wenn ich eh nicht von allen akzeptiert werde? Durch die ganze „Verstellerei“ hatte ich nämlich vergessen, die wichtigste Person in meinem Leben zu lieben und zu akzeptieren: mich selbst!
Und so beschloß ich endlich, so zu sein, wie ich bin. Denn wenn ich schon kritisiert werde, dann will ich wenigstens meinetwegen kritisiert werden und nicht wegen einer Scheinpersönlichkeit, die das Produkt meiner Phantasie und Einbildungskraft ist.

Ich lachte laut los, als ich endlich die Klarheit meiner Engel erkannte.
Ich habe festgestellt, daß sich jedesmal wunderbare Gespräche entwickeln, wenn ich über Engel spreche oder mich jemand danach fragt. Ich versuche dabei nicht, andere in irgendeiner Weise zu überzeugen. Das würde nie klappen – und das wissen wir auch -, denn jeder macht seine eigenen Erfahrungen. Ich erzähle einfach nur, und wenn jemand mehr darüber wissen will, dann wird er schon weiterfragen.

Früher wollte ich jeden überzeugen und fand mich nicht selten in Streitgesprächen wieder. Ich kann das Lachen meiner Engel fast noch hören. Sie haben uns nicht gebeten, ihr Anwalt zu sein, sondern ihr Botschafter.
Unsere Engel helfen uns, uns selbst in unserer wundervollen Einzigartigkeit zu zeigen. Denn wenn wir alle gleich wären, wäre das nicht erschreckend langweilig?
Langweilig ist unser spiritueller Weg auf gar keinen Fall. Manchmal erleben wir mehr Aufregung, als wir uns zugestehen wollen – und doch ist es die schönste Reise, der schönste Traum, den ich mir je hätte vorstellen können.
Im Laufe der Jahre durfte ich viele von Ihnen persönlich kennenlernen, und ich erzählte von meinen späteren Erfahrungen auf meinen Reisen und natürlich auch in meinen nachfolgenden Büchern. Dies geschah nicht in der Absicht, Sie zu „führen“, sondern ich will Sie inspirieren, Ihren eigenen intuitiven Erkenntnissen zu vertrauen. Mir hat es immer sehr geholfen, wenn ich spirituelle Freunde um mich gehabt habe, die schon einiges erlebt hatten und mir so meine Erfahrungen erklären konnten. Manchmal machte ich mir nämlich noch Sorgen – gerade am Anfang meines Aufwachens in mein wahres Sein -, ob das denn alles mit rechten Dingen zugeht. Aber auch das ist gut so; denn schließlich hilft uns eine gesunde Portion Skepsis, genau zu überprüfen, ob und was wirklich für uns stimmt.
Vor diesem Hintergrund ist auch der Frage-und-Antworten-Teil zu sehen, der erstmals in dieser überarbeiteten und erweiterten Neuauflage von Wie Engel uns lieben erscheint. Hier kommen die Probleme zur Sprache, die viele von uns beschäftigen und die immer wieder Thema in unseren Gesprächen und Seminaren sind.

Lassen Sie uns bei alldem nicht vergessen, daß unsere Engel uns auf unserem Weg unterstützen, aber gehen müssen wir ihn selbst. Wenn mich zum Beispiel meine Tochter bittet, ihr bei den Hausaufgaben zu helfen, dann ist es ihr am liebsten, wenn ich die Aufgaben für sie erledige: „Aber Mama, warum hilfst du mir denn nicht?“ quengelt sie dann nicht selten, und ich erkläre ihr, worin ich meine Hilfe sehe: In ihren Augen bedeutet es, daß ich ihr die fertigen Antworten gebe – aus meiner Sicht bedeutet Hilfe, daß ich ihr erkläre, wie man die Aufgabe lösen kann. Es ist ihre Lernaufgabe, und nur wenn sie sie selbst erledigt, wird sie die nötige Übung bekommen. Denn wir lernen aus Erfahrung, und zwar am besten aus der eigenen.

So ist es mit den Engeln. Sie zeigen uns, „wie es geht“ – aber „machen“ müssen wir „es“ schon selbst. Denn erst dadurch steigt in uns dann auch wieder die Erinnerung empor, daß wir ein Teil Gottes sind und somit verantwortlich für unsere Welt, die wir kreieren.

In diesem Sinne umarme ich Sie von Herzen und wünsche Ihnen ein weiterhin spannendes Leben.
Gottes Segen für Sie!
Licht und Liebe
Ihre
Sabrina Fox

Im Frühjahr 2002

1. Kapitel

Von einem Engel im Schlafzimmer und der Frage, warum manche Engel gesehen werden
Irgendwie war Esther anders als sonst. Ihre Umarmung war länger und sie drückte mich nochmals kräftig, bevor sie mich losließ. Da war ein Funkeln in ihren braunen Augen, das vorher noch nicht da war. „Ist alles in Ordnung?“ frage ich sie. „Alles bestens und willkommen zu Hause“, begrüßt sie uns. Mein Mann Richard, meine Tochter Julia und ich kommen gerade von einem verlängerten Wochenende aus Santa Barbara zurück, wo wir den Geburtstag meines Mannes gefeiert haben, und Esther, unsere Haushälterin, hat sich wie immer in unserer Abwesenheit um unsere Tiere gekümmert. In der Regel zieht sie dann bei uns ein, um unseren Hund Si ster und die Katzen Barney, Boots und Greyfur zu versorgen. Wir leben in Los Angeles, oben auf einem der Canyons, und wenn man wie ich die meiste Zeit seines Lebens in Bayern verbracht hat, darf das höchstenfalls mit Hügel, aber niemals mit Berg bezeichnet werden.

Als ich vor acht Jahren nach Los Angeles zog und über das schachtelartige Häusermeer flog, hatte ich keine Ahnung, wie vielseitig diese Stadt ist. Mittlerweile leben wir im Benedict Canyon und unsere Nachbarn heißen Coyote, Reh und Falke…natürlich neben diversem Kleingetier wie Spinnen, Mäusen und jeder Menge Ameisen. Leider haben sich Katzen auf dem Speisezettel der Coyoten ganz nach oben geschoben und deshalb habe ich es gerne, wenn meine Katzen sich täglich zumindest einmal melden. Eine der ersten Fragen an Esther ist dann immer: Wo ist soundso, je nachdem, wer uns beim Heimkommen nicht stürmisch begrüßt hat.

Esther’s Tochter Roxana rennt gleich mit unser Julia davon, mein Mann zieht sich in’s Wohnzimmer zurück, um die Post durchzusehen und Esther und ich gehen ins Schlafzimmer, um schon ‚mal auszupacken.

„Gibt’s was Neues?“ frage ich Esther, während ich meine Steine, die ich beim Spazierengehen gesammelt habe, aus der Reisetasche hole. Da ist erst einmal Funkstille. „Esther?“ frage ich noch einmal, vielleicht hat sie mich nicht gehört. Ihr Blick klebt gedankenverloren an dem roten Tuch, mit dem mein Reisealtar umwickelt ist. „Ist alles in Ordnung?“, frage ich noch einmal. „Ich habe deinen Schutzengel gesehen!“ flüstert sie mir etwas atemlos zu. „Meinen Schutzengel?“ frage ich erstaunt. „Erzähl‘!“ Ich lehne mich gegenüber von Esther an mein Bett und schaue sie an, wie sie etwas nervös mit ihre wundervollen braunen Locken spielt.

„Genau da habe ich ihn gesehen, genau da, wo du jetzt lehnst.“ Sie deutet mit ihrem Finger auf mich. „Da stand er plötzlich.“ „Jetzt noch ‚mal ganz von vorne. Wann und wie hast du den Engel gesehen?“

Jetzt strahlt sie über das ganze Gesicht und fängt zu erzählen an: „Also, es war gleich nachdem ihr weggefahren seid. Ich habe die Betten frisch bezogen und Roxana und ich sind anschließend noch mit Sister spazierengegangen. So gegen acht Uhr abends sind wir dann zurückgekommen und ich habe uns etwas zu essen gemacht. Mein Mann holte Roxana ab und kurz danach wurde ich furchtbar müde und habe dann beschlossen, doch schon in’s Bett zu gehen. Ich habe mich auf deine Seite im Bett gelegt und muß auch sofort eingeschlafen sein.“ Esther holt tief Atem: „Mitten in der Nacht,“ erzählt sie, „fühle ich wie irgend etwas in meinen Körper kommt. Noch nie in meinem Leben habe ich so etwas gefühlt! Das war kein Traum, das war echt. Ich fühlte die Hitze und irgend jemanden, der innen, in mir, mich und meinen Körper bewegte. Davon bin ich dann aufgewacht und ich beobachtete, wie sich mein linker Arm wie von selbst bewegte.“ „Bewegte?“ frage ich erstaunt. „Wie bewegte?“

Sie sucht nach Worten und dabei bewegt sie ihren Arm in einer Wellenbewegung. Ich beobachte ihre Hand und dabei fällt es mir auf: „Es sieht fast so aus, als ob du jemandem zuwinkst.“ „Das stimmt,“ ruft sie erstaunt. „Ich erinnere mich noch, wie ich gedacht habe: Um Himmels Willen, was ist denn das? Und dann habe ich das „Vater Unser“ gebetet. Ich wollte mich nur auf dieses Gebet konzentrieren, um dieses Erlebnis so schnell wie möglich zu vergessen. Ich habe mich dann in die Mitte eures Bettes gelegt. Deine Seite wurde mir ein bißchen zu unheimlich.“

Erstaunt fragte ich: „Wieso das denn?“ Esther schaut verschmitzt: „Was weiß denn ich, was du so jede Nacht erlebst? Du hast dein Meditationszimmer, bist Hypnose-Therapeutin, hast eine heilige Pfeife von den Indianern (Anmerkung: siehe Anhang). Für dich ist das vielleicht normal!“ Ich muß lachen. Es stimmt, ich habe schon einiges Außergewöhnliches erlebt. Aber leider nicht jede Nacht. „Irgendwie bin ich dann wieder eingeschlafen“, erzählt sie weiter und dieses Mal schweifen ihre Augen weit, weit in die Ferne. „Dann fühlte ich es wieder, diese Wärme und die Gewißheit, daß irgend etwas in meinem Körper ist.“ Sie schaut mich an: „Verstehe mich nicht falsch. Das war ein ganz tolles Gefühl – nur eben recht ungewöhnlich. Und das ist stark untertrieben.“

Ich nicke ihr aufmunternd zu und sie fährt fort. Wieder schweift ihr Blick weit in die Ferne. „Dann spürte ich auch wieder, wie mein Arm sich bewegte. Ich öffnete meine Augen und wie ich sie öffne, habe ich das Gefühl als ob das, was in mir ist, nach vorne, nach außen kommt und sich vor mir materialisiert. Und da sehe ich auch schon diese Farben, die sich zu einer Figur zusammenfinden, die einfach unglaublich schön ist.“ Sie lächelt dabei und zeigt mir ihren Arm: „Schau, da kriege ich gleich wieder eine Gänsehaut.“

„Welche Farben hast du gesehen?“ „Das waren alle möglichen Schattierungen von violett bis lila und ein starkes pink. Aber alle in dieser Farbengruppe. Und sie hatte ein wunderschönes Gesicht und lächelte mich an.“ „Sie?“ frage ich. „Ja,“ Esther faltet ihre Hände, „es war auf jeden Fall weiblich.“ „Hast du ihr Gesicht gut erkennen können?“, will ich wissen. „Hast Du Haare erkannt, oder Flügel?“ „Nein,“ antwortet sie, „nichts dergleichen. Die Farben waren es, die die Form ausmachten. Nach außen wurde der Engel auch heller und sie bewegte sich auch in sich ein bißchen. Wie Wasser oder Wolken sich bewegen.“ „Was ist dann passiert?“ will ich wissen. „Dann fing ich wieder zu beten an und sagte zu dem Engel: „Ich bin nicht Sabrina. Sabrina ist verreist.“

Ich fing schallend zu lachen an. „Esther, das war Dein Schutzengel! Das war nicht meiner! Engel wissen, ob wir verreisen oder nicht.“ „Das habe ich mir später auch gedacht,“ sagt sie. Nun muß sie auch lachen: „Versetze dich mal in meine Situation. Hier bin ich in deinem Haus, in deinem Schlafzimmer, in deinem Bett! Da dachte ich: Dieser Engel muß deiner sein. Wahrscheinlich kommt sie öfters und du hast mir einfach nichts davon erzählt.“ „Schön wär’s,“ rufe ich lachend. „Was hat der Engel dann gemacht?“

„Der Engel blieb da, während ich betete. Dann dachte ich mir, vielleicht ist das eine Seele, die nicht weiß, wo sie hingehört. Was weiß denn ich? Deshalb betete ich dann auch zur Vorsicht: Lieber Gott, falls diese Seele nicht weiß, wo sie hingehört, bitte helfe ihr, den Weg zu finden. Im Namen des Vaters, und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Nachdem mein Gebet fertig war, habe ich den Engel einfach nur noch angeschaut. Sie sah nicht so aus, als ob sie nicht wisse, wo sie hingehört. Sie war ganz ruhig und liebevoll. Nach einer Weile verschwand sie dann langsam.“ „Bist du dann wieder eingeschlafen?“ frage ich sie. „Noch lange nicht. Ich lag noch ewig wach. Es gingen mir so viele Fragen in meinem Kopf herum. Was war das? Warum ist sie gekommen? Warum kam sie zu mir? Suchte dieser Engel nach dir? Ich schaute immer wieder zum Fenster. Ich wollte endlich, daß die Sonne aufgeht.“

„Warum?“ „Die Nacht war zu lange für mich. Ich war ein bißchen nervös, was sonst noch kommen könnte.“ „Ein Engel war genug für eine Nacht,“ meinte ich. „Genau.“ Esther seufzt. Es herrscht eine eigenartige Stille im Schlafzimmer. Keiner von uns bewegt sich. Wir lächeln uns an. „Schön, wunderschön,“ höre ich mich sagen. „Weißt du, was das Erstaunliche daran ist?“, fragt sie mich. Ich schüttele den Kopf. „Bevor ich das Erlebnis mit dem Engel hatte, wenn immer ich wütend oder traurig war, war ich einfach nur wütend oder traurig.“ Ich schaue sie fragend an.

„Es ist schwer, das genau auszudrücken. Der Engel gab mir ein Geschenk. Er gab mir dieses Gefühl der Liebe als Geschenk. Und jetzt, wenn ich wütend oder traurig bin, dann habe ich dieses Gefühl der Liebe, in das ich jederzeit eintauchen kann. Meine Traurigkeit ist nicht mehr so tief und meine Wut ist nicht mehr so groß. Weißt Du, da ist jetzt mehr in meinem Leben. Da ist jemand, der auf mich aufpaßt. Da ist jetzt mein Schutzengel. Und ich habe ihn gesehen.“ Ich stehe auf und umarme sie. Wir stehen eine Zeitlang umschlungen da. Ich freue mich so für sie. „Hast du das schon den Kindern erzählt?“ frage ich sie. „Nein, nein,“ meint sie schnell, „das wollte ich zuerst mit dir besprechen.“ Ich merke an ihrem Zögern, daß sie sich nicht sicher ist, ob die Kinder denn das wissen sollen. Wir erzählen unseren Kindern von Engel und Feen, solange sie in Märchen oder in der Bibel vorkommen, und dann sind wir oft scheu und behalten unsere richtigen Engel für uns. Ich arbeite als Hypnose-Therapeutin und spirituelle Beraterin und höre oft von meinen Klienten: „Wie kann ich meinen Kindern etwas mehr Spiritualität nahebringen?“ Und wenn ich dann frage, ob sie ihre Erlebnisse mitteilen, dann höre ich ein erstauntes „Nein, das würden sie nicht verstehen“. Kinder verstehen besser als wir. Sie sind noch nicht so lange auf der Erde und haben Gott noch nicht vergessen.

Ich mache das Schlafzimmerfenster weit auf, und rufe nach den Kindern: „Julia, Roxana, kommt doch ‚mal bitte her.“ – „Wir kommen!“, ruft es aus der Ferne und kurz danach sitzen Roxana und Julia etwas atemlos auf meinem Bett. „Esther hat einen Engel hier in unserem Schlafzimmer gesehen.“ „Ist er noch da?“ fragt Julia sofort und schaut sich um. „Wie sah er denn aus?“ will Roxana wissen. Ich lasse die drei alleine und merke, wie ich mich freue, daß diese wunderbaren Erlebnisse mit unseren Kindern geteilt werden. In diesem Alter – meine Tochter ist sechs und Roxana ist elf Jahre alt – wird aufmerksam verfolgt, was die Eltern denn so tun. Das beste Beibringen ist immer noch das Vormachen. Wie herrlich, daß unsere Kinder, wenn sie ihre eigenen Engelerlebnisse haben, dann offen darüber sprechen können und nicht erschrecken… schließlich haben sie schon oft davon gehört. Auf dem Weg zur Küche merke ich, wie sich neben meinem Gefühl der Freude auch noch ein anderes Gefühl einschleicht: Frustration und Ungeduld. Und ich weiß ganz genau warum: Ich fühle meine Engel nur und sehe sie nur in meinen Meditationen. Warum habe ich noch keine Engel gesehen? So richtig – wach und mit offenen Augen. Mache ich irgend etwas falsch? Bin ich noch nicht so weit? Warum kann Esther ihren Engel sehen und ich nicht? Warum kommen Engel zu dem einen und nicht zu dem anderen?

Ich freue mich über Esther’s Erlebnis und das aus tiefsten Herzen… nur wünsche ich es mir auch. Wünsche ich es mir nicht stark genug? Die Sehnsucht danach ist so groß, daß ich einen leichten Schmerz in der Herzgegend spüre. Esther hat nicht einmal darum gebeten, einen Engel zu sehen und er kommt. Und ich bitte fast täglich darum. Hört ihrer besser als meiner? Ich muß über vieles nachdenken. Das Gefühl der Frustration und Traurigkeit will einfach nicht verschwinden. Eigentlich müßte ich mich um’s Auspacken kümmern, meine Post durchgehen, Lebensmittel einkaufen. Aber ich weiß mittlerweile, daß ich mich um meine Seele genauso kümmern muß, wie um meine täglichen Aufgaben. Fast automatisch gehe ich in den Garten, um mich unter einen meiner Lieblingsbäume, eine Kastanie, zu setzen. Darunter steht eine kleine Bank und daneben lehnt eine große Schaufel. Immer noch frustriert grabe ich etwas Erde auf. Von der Erde kommt unser Körper, von der Erde kommt unsere Nahrung, von der Erde kommen unsere Heilmittel. Deshalb möchte ich meine Füße tief in die Erde graben. Ich kann ein bißchen Heilung gut gebrauchen. Ich betrachte meinen Kastanienbaum. Groß ist er und tiefe Wurzeln muß er haben, sonst würde er umfallen. Genauso wie wir. Auch wir müssen mit beiden Beinen auf der Erde stehen, damit unsere Seele immer höher fliegen kann. Früher wollte ich immer höher hinauf, am liebsten nur noch meditieren und das schnöde Leben hinter mir lassen. Mein Körper war das Gefängnis meiner Seele und überhaupt recht störend. Und ehrlich gesagt, konnte ich es kaum erwarten, nur noch spirituelle Leute um mich zu haben, die genau wissen, was es bedeutet, wenn ich über Chakren, Energiefelder und frühere Leben erzähle. Ich war haarscharf an der Grenze zur spirituellen überheblichkeit – was rede ich denn da: Ich war die spirituelle überheblichkeit! Ach, die anderen, die verstehen das halt einfach noch nicht. Doch ich lernte schnell.

Ich hatte meinen Körper in meinen Gedanken abgewertet. Etwas, was mich bei meiner spirituellen Entwicklung störte. Ich fühlte mich wohl in meinen Meditationen und unwohl in meinem Leben und es dauerte eine Weile, bis ich kapierte, daß es unsere Aufgabe ist, im Leben spirituell zu sein. Im richtigen, prallen, aufregenden Leben. Ich merkte, daß alle meine Wünsche sich oben, im Körperlosen, abspielten und keiner es bis zur Erde schaffte – dort, wo sich unsere Wünsche materialisieren. Die blieben alle irgendwo in der Mitte hängen, denn ich hatte weder ein besonders gutes Verhältnis zu meinem Körper, noch zu der Erde. Ich fing an, mit Indianern zu arbeiten, weisen Frauen, die mir beigebrachten, im Gleichgewicht mit der Natur zu leben. Mein Körper ist nun Ausdruck und Tempel meiner Seele und wird dementsprechend gut behandelt. Und – wie ein Wunder – passierte plötzlich auch wieder etwas. Meine Wünsche erfüllten sich wieder. Deshalb achte und verbinde ich mich heute so oft wie möglich mit der Natur. Früher ging ich so gut wie nie barfuß auf der Erde … ich hätte mir ja weh tun können. Außerdem wollte ich keine schmutzigen Füße haben… doch irgendwann mußte ich mich entscheiden: Zwischen perfekten Nägeln und meiner Neugierde und Entschiedenheit, Neues zu lernen. Auch meine Tochter wurde bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten in ihre Schuhe gedrängt. Heute verbringen wir die meiste Zeit barfuß – draußen und nicht nur drinnen. Ich lasse meine Füße tief in die Erde sinken und spüre die leichte Feuchtigkeit auf meiner Haut und fühle sofort die Kraft, die durch meine Fußsohlen in meinen Körper dringt.

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Sabrina Fox

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