Die Sehnsucht unserer Seele
(Vollständig überarbeitete Neuauflage 2016)
Inhalt
In diesem Buch habe ich 25 Jahre Erfahrung und Wissen zusammengefasst: Alle Aspekte des menschlichen Erlebens – Kindheit, Beziehungen, Selbstliebe, die Sprache des Körpers, Achtsamkeit, Mut und Ängste, Wechseljahre, Leben und Sterben und natürlich auch spirituelle Erfahrungen – wurden in der völlig überarbeiteten Neuauflage beleuchtet. Jeder von uns kennt diesen Moment, in dem die Sehnsucht unserer Seele nicht mehr ignoriert werden kann. Wir spüren, wir müssen uns ändern. Wir spüren, so wollen wir nicht mehr weitermachen. Wir wissen nur nicht genau wie es weitergeht. Aber wir ahnen, dass unsere Persönlichkeit nicht die Basis unseres Seins ist. Wir ahnen, dass es da mehr gibt.
Inhalt und Leseprobe
Vorwort
- Die Sehnsucht meiner Seele
- Sehnsucht
- Vergangenheit und Vergebung
- Vertrauen in das Göttliche
- Stille
- Unsichtbares
- Intuition
- Jetzt
- Gefühle
- Zeit und Geduld
- Der Mut zur Veränderung
- Ehen und Beziehungen
- Kinder
- Sterben
- Körper
- Technik
- Natur und Naturgeister
- Angst
- Seelengruppen
- Kommunikation
- Heiliger Raum
- Dienst
- Lehren
- Seelenreisen
- Zauber
- Meisterschaft
- Nachwort
- Danke
Vorwort zur überarbeiteten Auflage
Es ist eine ungewöhnliche Gelegenheit, wenn man das, was man vor fast zwanzig Jahren geschrieben hat, noch mal lesen und überarbeiten kann. Es ist fast so, als würde man in einem alten Tagebuch stöbern. Manches ist einem vertraut, an manches kann man sich gar nicht mehr erinnern, manches ist überholt, manches fehlt. Mit den Jahren verändert sich viel, besonders wenn man sich dem Wachstum verpflichtet hat. Es war berührend zu sehen, dass Themen, die mich damals beschäftigt hielten, sich aufgelöst haben. Dinge, von denen ich vermutet hatte, dass sie eintreten, auch eingetreten sind. All das lässt sich rückblickend mit großer Dankbarkeit erkennen. Ja, Wachstum erleichtert das Leben enorm.
Als ich das Angebot annahm, das Buch zu bearbeiten, ging ich davon aus, dass ich vielleicht zwanzig Prozent verändern würde. Es war genau umgekehrt. Beim ersten Lesen merkte ich, dass ich eigentlich ein neues Buch schreiben werde. Ja, bestimmte Erinnerungen sind noch drin, aber alles durfte ich auf den neuesten Stand bringen. Einige Kapitel sind völlig neu geschrieben worden, andere gab es früher nicht. Gleichzeitig bekam ich am Anfang außergewöhnlich viele dankende Emails zu diesem Buch, das immerhin schon seit 1999 auf dem Markt ist. Bei älteren Büchern passiert das recht selten. Meistens waren es Erinnerungen von LeserInnen, denen es einst geholfen hat, für die es rückblickend das erste spirituelle Buch war, die damals dadurch ihren eigenen Weg entdeckt hatten.
Wenn wir uns aufmachen unseren eigenen spirituellen Weg zu finden, dann ist das nicht immer leicht. Es ist viel einfacher sich einer der traditionellen Glaubensgemeinschaften anzuschließen: Feste Regeln. Eine Richtung. Viele, die schon mitmachen. Gesellschaftlich anerkannt. Und doch unterschätzen wir die männliche Autorität, die diesen Religionen vorsteht und die uns seit Jahrtausenden sagt, was wir zu glauben und wie wir zu leben haben. Gerade die weibliche Seite – immerhin die Hälfte der Weltbevölkerung – findet dort keinen gleichwertigen Platz. Viele sind in Kirchen, Synagogen, Moscheen und Tempeln, weil sie die Gemeinsamkeit schätzen, in vielem aber den Regeln und Vorgaben nicht zustimmen. Wir können erahnen, was es wirklich bedeuten würde, wenn alle Religionen ihre Macht und ihren Anspruch auf Unfehlbarkeit ablegen würden.
Sind wir selbstständig genug, erwachsen genug, interessiert genug, um uns selbst zu fragen, was wir glauben? Es fordert mehr persönlichen Einsatz, wenn man sich seinen Glauben basierend auf seinem eigenen Weltbild, seinen eigenen Erfahrungen und seiner eigenen Intuition zusammenstellt. Was glaube ich? Was glaube ich nicht? Was macht für mich Sinn? Was hört sich unwahr an? Was hat sich für mich bewiesen? Was kann ich wie integrieren? Was möchte ich weitergeben?
Wenn wir der Sehnsucht unserer Seele folgen, dann entsteht ein intimeres Verhältnis zu uns selbst und zum göttlichen Ganzen. Jeder Schritt ist ein Schritt in ein neues Land. Eines, das sich unter unseren Füßen, in unserem Herzen und in unseren Gehirnen entwickeln darf.
In diesem Buch beschreibe ich meine Erfahrungen, die mein spirituelles Leben geprägt haben. Es möchte einfach nur Inspiration sein, dem eigenen Seelenweg zu folgen. Wohlgemerkt dem eigenen – und nicht meinem. Ich lasse mich gerne inspirieren – doch die Entscheidung ob und was ich übernehme, überlasse ich niemand anderem. Es ist unpraktisch jemandem zu folgen, denn dadurch verliert man seinen eigenen Weg.
Wir lernen dazu. Lernen hat oft einen Beigeschmack von ungeliebter Arbeit. Wir müssen üben, werden hin und wieder versagen, probieren es eben noch mal. Doch lernen ist auch Freude. Als wir als Kinder sprechen gelernt haben, waren wir froh, wenn wir uns Wort für Wort besser mitteilen konnten. Wenn wir in etwas besser werden, dann haben wir auf diesem Gebiet mehr Spaß. Das ist mit dem Leben genauso. Jeder hat die Möglichkeit sich auf ein leichteres Niveau hin zu entwickeln. Etwas Neues zu erfahren ist ein spannendes Abenteuer. Ich liebe es zu lernen. Als Lehrer erzählte ich von Dingen, die ich schon weiß. Als Schüler darf ich Neues erfahren – und das ist für mich enorm spannend und macht das Leben erst lebenswert.
Dieses Buch war für mich immer eine Art Hinterlassenschaft. Schon damals, als es zum ersten Mal veröffentlich wurde, hatte ich das zusammengefasst, was ich lernen und erfahren durfte. Und in diesem Sinne habe ich es weitergeschrieben: Wenn ich morgen diesen Körper verlasse, wäre das mein Erbe. Ich weiß, es klingt ein bisschen pathetisch – bitte sehen Sie es mir nach – aber ich erspüre das so. Ich wünsche mir von Herzen, dass dieses Buch Ihnen nützlich ist.
Alles Liebe,
Sabrina Fox
im Mai 2016
Die Sehnsucht meiner Seele
Da war sie, die Seele, die an flüssiges Blau erinnerte. Sie machte sich bereit, noch mal auf der Erde zu leben.
Der erste Schritt war die Trennung. Das flüssige Blau, das sich nur als »Wir« kannte, mußte sich loslösen von den anderen. Das war, wie wenn man einen Tropfen aus dem Meer nimmt und ihn allein in ein großes Glas fließen lässt. Durch die Wände dieses Glases konnte das flüssige Blau die anderen sehen. Und diese Trennung brachte ihm die ersten Tränen.
In dieses Glas ließ das Göttliche Geschenke fließen: Seelenschwestern und Seelenbrüder, ein Kind, das ihr später geboren würde. Tiere und Pflanzen, die sie an die Liebe eines unveränderten Gottes erinnern würden. Talente und Charisma. Phantasie, Humor, der Wunsch vom Meer zu erzählen, und die genetischen Gaben und Herausforderungen ihrer Eltern.
Ihre Mutter, die ihr die Gabe des Überlebens schenken wird. Die Hingabe. Die Geduld, wieder von vorn anzufangen. Eine klare Stimme. Die Reiselust. Einen Sinn für Schönheit. Ihre Neugierde. Das Gefühl der Verantwortung. Die Möglichkeit, mit wenig auszukommen, und das Talent, sich anzupassen.
Aber mit ihr wird auch die Herausforderung, sich durchzusetzen, kommen. Mutig zu sein. Grenzen zu setzen. Nicht jedem Streit ausweichen zu wollen. Nicht in einer Opferrolle zu versinken.
Ihr Vater wird ihr sein Lachen schenken, sein Aussehen, seine Lust am Leben, sein Geschick, mit den Händen zu arbeiten, die Ergebenheit für seine Freunde. Die Gabe der Passion und das Aufgehen in einer Tätigkeit. Er schenkt ihr seine Großzügigkeit und seine Ausdauer.
Aber auch die Gefahr der Oberflächlichkeit wird mit ihm kommen. Sich zu verlieren in dem, was ihm nicht guttut. Realitäten nicht ins Auge zu sehen und Unannehmlichkeiten zu ignorieren. Mit ihm kommt die Herausforderung, nicht die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Die Gewohnheit, sich in Sprachlosigkeit zurückzuziehen.
Dann kamen die Meister und Engel, die dem flüssigen Blau, beizustehen versprachen.
Am Schluß, das Glas war fast voll, kam der Atem. Der Atem des Göttlichen mit der Sehnsucht nach Wachheit. Dieser Sehnsucht wird sie folgen. Manchmal nicht klar erkennend, wohin sie führen wird. Zuweilen wird die Sehnsucht wie eine Flamme leuchten und ein andermal wie ein kümmerlicher Stumpen gerade noch flackern. Aber die Liebe und die Sehnsucht danach werden sie bis zur Erfüllung begleiten. Das ist das Versprechen, das in Gottes Atem ruht.
Und erst dann, wenn alle Aspekte ihres Lebens erfüllt sind, wird die Sehnsucht vergehen und dieser Liebe weichen. Dann wird sich der Tropfen, der an flüssiges Blau erinnert, obwohl losgelöst in einem Glas auf Erden lebend, wieder eins fühlen mit dem Meer. Und das Glas – ihr Körper – wird keine Trennung mehr fühlen. Und ihr Wunsch wird es sein, von der Erfahrung zu erzählen. Andere daran zu erinnern, daß auch sie Wassertropfen aus dem unendlichen Meer des Göttlichen.
Mit diesem Wissen wurde sie geboren – um alles sofort wieder zu vergessen…
Sehnsucht
Der Seelenplan
Solange ich zurückdenken kann, fühlte ich diese Sehnsucht. Eine Art Einsamkeit kam dazu, die ich als sehr schmerzlich empfand. Ich fühlte mich als Außenseiter. Als nicht dazugehörig. Ich schaute hinein zu denen, die offensichtlich wussten, wie man hineinkam und fühlte mich fremd. Das Glas, in dem ich saß, war dick.
Erlebnisse:
Meine Geburt war schwer, so erzählte mir meine Mutter. Mein Vater bekam kurz vor meiner Geburt kalte Füße und setzte sich nach Paris ab. Meine Mutter wurde krank, und sie boten ihr das Contergan-Mittel an, das sie ablehnte. Ich kam zwei Wochen zu spät zur Welt. Fast so, als ob ich mir noch ein bisschen Ruhe gönnen wollte. Die Nabelschnur hatte sich dreimal um den Hals gewickelt, und auf meiner Haut lag das abgesetzte Fruchtwasser, was meine Mutter eher an ein Rührei als an ein Baby erinnerte. Mein Vater war wieder zurück und als meine Mutter einen verschreckten Blick auf ihr Kind geworfen hatte, forderte sie die Krankenschwester auf, es um Himmels willen nicht ihrem Mann zu zeigen.
Ich war ein braves Kind. Still. Gehorsam. Schüchtern. Fast so, als ob ich dem Drama, in dem unsere Familie lebte, nichts hinzufügen wollte. Ich bin mit Verboten, strengen Pfarrern und was man macht und nicht macht, groß geworden. Mein Vater, der mit seinem Dasein von Jahr zu Jahr unzufriedener wurde, fing zu trinken an. Da er mit Geld nicht umgehen konnte, gab es enorme finanzielle Probleme und den gelegentlichen Besuch des Gerichtsvollziehers. Meine Mutter bekam noch zwei Mädchen, meine Schwestern Susanne und Renate, und versuchte, uns Kinder mit dem wenigen, was mein Vater ihr gab, zu ernähren.
Wir lebten in einer winzigen Sozialwohnung. Wir Kinder schliefen in der Küche und da es wenig Platz für mich gab, flüchtete ich in die Phantasiewelt der Bücher. Gleichzeitig fing ich an zu lügen.
Zuerst eher harmlose Geschichten von einem Pferd, das wir im Keller hatten. Sprachen, die keiner kennt. Reisen, die wir angeblich machten. Ich gab niemals zu, geschwindelt zu haben. Ich dachte nicht, dass ich gut genug, nett genug, schön genug, klug genug und talentiert genug war, um ganz einfach so, wie ich war, gemocht zu werden.
Wenn ich meine kleine Welt beobachtete, dann sah ich zwei Arten von Menschen: diejenigen, die zu einer Gruppe gehören, und die, die außen herum waren. Die in der Gruppe schienen mehr Freude zu haben. Selbstbewusster zu sein. Sich sicherer zu fühlen. Zwei Lehren zog ich aus diesen Beobachtungen. Eine war, dass ich eine Gruppe brauchte, und die andere, dass ich mich dazu anpassen musste. Ich war fünfzehn, bebrillt, flach und ungeküsst. Ein Zustand, für den es einfach keine Gruppe gab.
Meine Augen wurden immer schlechter: Es gab viel, das ich nicht sehen wollte. Besonders die Ungerechtigkeit, mit der mein Vater meine Mutter behandelte, war mir unbegreiflich. Oft mischte ich mich ein, wenn ich den lauten Streit aus dem Wohnzimmer nicht mehr ertragen konnte. Meine Mutter bat mich, ihn sein zu lassen. »Du weißt doch, wie er ist.« Immer wieder dieses: »Jetzt nicht, Kind, warte bis ein besserer Zeitpunkt kommt.« Dieses Vorsichtig-sein-Müssen, weil man nicht weiß, wie der andere reagieren wird, prägte mich sehr. Obwohl ich selbst sehr viel log, sehnte ich mich nach Wahrheit und Offenheit. Ich weiß noch gut, wie meine Mutter nach einer besonders lauten Nacht am nächsten Morgen weinend am Bett saß. »Lasse dich doch scheiden«, schlug ich als Siebenjährige vor, und meine Mutter schaute mich mit traurigen Augen an und meinte: »Aber ich liebe ihn doch.« Mit solch einer Liebe wollte ich nichts zu tun haben. Ich erkannte in diesem Moment: Mit meinen Eltern stimmte was nicht. Ihr Benehmen ist nicht ideal. Es ist nicht meine Schuld (Kinder glauben das öfter), sondern deren Wahl. Ich erkannte auch die Bereitschaft meiner Mutter, ein Opfer zu sein. Und dennoch wählte auch ich später häufiger die Opferrolle. Mein Vater verschwand oft für Tage. Und das waren die schönsten Zeiten meiner Kindheit. Zuhause war Ruhe. Keine Stimmungsschwankungen. Keine überraschenden Dramen. Endlich der Frieden, nach dem ich mich so lange gesehnt hatte.
Als ich siebzehn war, warf mich mein Vater aus dem Haus. Er kam betrunken mit einem Freund von einer Reise zurück und schimpfte über meine Mutter. Ich wies ihn vor dem Anderen zurecht, und als der sich verabschiedete, flog ich nach. Ich musste die Schule aufgeben und fand einen Job als Anfangssekretärin und ein kleines Ein-Zimmer-Apartment. Beim Auszug wog ich noch über achtzig Kilo und da ich weder Geld für das Kaufen von Besteck noch für ausreichend Lebensmittel hatte, fand ich mich nach Monaten plötzlich schlank wieder.
Ich heiratete mit 19 Jahren, ließ mich scheiden, hatte Beziehungen, wenig Affären, neue Berufe, neue Freunde, Kontaktlinsen, sogar Geld und irgendwann einmal Erfolg. Ich fand mich im Fernsehen und auf Titelseiten wieder und trotzdem gehörte ich noch nicht dazu. Die Sehnsucht meiner Seele, mittlerweile verkümmert auf ein klitzekleines Flämmchen, fühlte ich kaum.
Meine Tage waren ausgefüllt. Ich war mit den täglichen Dramen in meinem Leben beschäftigt und fühlte mich wie eine Fahne im Wind. Durchgeschüttelt von einer Kraft, die für mich keinen Sinn ergibt. Momentane Freuden, wenn dir eine Sendung angeboten wird. Tränen, wenn sie jemand nicht mag. Interviews, in denen man gemocht werden will. Veranstaltungen, in denen man Menschen überzeugen muss. Privat war es nicht anders. In meinen Liebesbeziehungen passte ich mich an nach dem Motto: »Was für eine Art Frau hättest du denn gerne?«
Ich heiratete noch einmal. Zog nach Los Angeles zu einem Mann, dessen Sprache ich kaum verstand und dessen Kultur mir fremd war. Ich war beeindruckt von der Gewissheit, mit der er mir den Hof machte. Und ich dachte, vielleicht ist es dieser Mann, der mir meine Sehnsüchte erfüllen wird. Ein Jahr später glaubte ich, vielleicht ist es das Kind, das mir geboren wurde. Wieder später meinte ich, vielleicht die neue Sendung, die so wichtig ist…
Die Dramen wurden nicht weniger. Nun kam das Zusammenwachsen in einer Ehe hinzu. Nach dem ersten Verliebt sein beginnt das Aneinander gewöhnen. Ich hatte immer noch nicht gelernt, die Wahrheit zu sagen und Grenzen zu setzen. Hatte die Gene, die mir meine Eltern mitgegeben haben, noch nicht erweitert. Ich ging immer noch Unannehmlichkeiten aus dem Weg.
Mein Selbstbewusstsein hing ausschließlich mit meinem Beruf zusammen. Daß mein Mann gut Geld verdiente, war mir eher unangenehm. Ich hatte zu lange an mir gearbeitet, um nicht von der Wichtigkeit meiner eigenen finanziellen Unabhängigkeit überzeugt zu sein. Wusste ich doch durch das Leben meiner Mutter, was passieren kann, wenn man als Frau kein eigenes Geld verdient. Die Angst davor saß mir im Nacken. Ich war gewöhnt, eigenes Geld großzügig zu verteilen. Sein Geld gehört nicht mir. Deshalb traf es mich umso härter, als ich mich durch eine berufliche Krise endlich der Frage stellen musste, die ich all die Jahre so erfolgreich ignoriert hatte: Wer bin ich? Ohne Karriere, ohne eigenes Geld, ohne den Erfolg, an den ich mich so gewöhnt hatte? Und endlich, endlich begann das Licht meiner Sehnsucht größer zu werden.
Jeder von uns kennt diesen Moment, in dem die Sehnsucht unserer Seele nicht mehr ignoriert werden kann. Wir spüren, wir müssen uns ändern. Wir spüren, so wollen wir nicht mehr weitermachen. Wir wissen nur nicht genau wie es weitergeht. Aber wir ahnen, dass unsere Persönlichkeit nicht die Basis unseres Seins ist. Wir ahnen, dass es da mehr gibt.
Wir als Seele haben uns eine Persönlichkeit (Ego) erschaffen. Und damit beginnt unsere größte Herausforderung: Mit welchen Augen betrachten wir unser Leben? Mit den Augen der Persönlichkeit oder mit den Augen der Seele?
Betrachten wir unser Leben durch die Augen unserer Persönlichkeit, dann sehen wir Dramen, die keinen Sinn ergeben. Wir erleben uns im Mangel, denn andere haben mehr: Mehr Erfolg, mehr Geld, mehr Schönheit, mehr Zufriedenheit, mehr Gesundheit, mehr Sex, mehr Glück. Wir machen uns Sorgen, dass uns oder unseren Liebsten etwas zustoßen könnte. Die Welt ist kein sicherer Platz. Da wir Recht haben wollen, müssen die anderen Unrecht haben. Da wir uns unsicher fühlen, erleben wir uns oft wie von äußeren Mächten durchgeschleudert.
Sehen wir die Welt durch die Augen unserer Seele wissen wir, dass wir als Seele für immer sind. Wir wissen, dass jede Herausforderung unserem Wachstum dient und sind dankbar für jede Schwierigkeit und jede Angst, denn dadurch entwickeln wir uns weiter. Wir erspüren, dass es uns tief in uns an nichts mangelt. Wir machen die Anderen nicht kleiner, damit wir besser da stehen. Wir machen uns aber auch selbst nicht kleiner. Denn wir wissen, dass wir alle aus der gleichen Quelle kommen und zurück zur gleichen Quelle gehen: Wir sind ein Tropfen im göttlichen Meer. Wir sind Seele. Nie getrennt und niemals allein. Nie geboren, nie sterbend, immer nur im Sein. Unser Leben, unsere Zeitabläufe haben wir uns erschaffen, damit wir uns gemeinsam im Wachstum unterstützen können. Wir leben im Meer der Schöpfung.
Wir haben uns für dieses Leben entschlossen, weil wir Erfahrungen sammeln wollen. Je mehr Erfahrungen wir sammeln, desto mehr Mitgefühl sammeln wir. Und eines wissen wir alle: Wenn wir etwas selbst erlebt haben – und die Schwierigkeiten darin – haben wir mehr Verständnis für diejenigen, die das auch erleben. In der Summe entsteht daraus ein mitfühlender Mensch. Und so ein Mensch ist großzügig. So ein Mensch ist verständnisvoll. So ein Mensch kann Verhaltensweisen nachvollziehen – weil er sie selber erlebt hat; in der Summe aller seiner Leben.
Jedes Leben hat seine eigenen Herausforderungen. Um herauszufinden, was wir in diesem Leben lernen wollen, hilft es, zu betrachten, was uns Probleme bereitet: Fällt es uns schwer zu verzeihen? Nicht über andere zu sprechen? Kein Opfer zu sein? Sind wir neidisch? Flüchten wir in Selbstmitleid, suchen wir im Alkohol oder in Drogen Vergessen? Wollen wir Problemen aus dem Weg gehen? Setzen wir Zynismus ein, um unsere Sensibilität zu verbergen? Können wir nicht Nein sagen? Oder haben wir uns angewöhnt zu lügen?
Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen, und ähnlich ist es mit der Liste von dem, was wir lehren wollen: Ist es Verständnis? Ist es Großzügigkeit? Ist es Bewegung? Ist es Körperbewußtsein? Ist es Schönheit? Ist es die Fähigkeit, zu verzeihen? Ist es Lachen? Ist es Kunst? Ist es Kreieren? Ist es Vertrauen? Ist es Mut?
„Beim ersten Durcharbeiten merkte ich, dass ich eigentlich ein neues Buch schreiben werde. Ja, bestimmte Erinnerungen sind noch drin, aber alles durfte ich auf den neuesten Stand bringen. Es war berührend zu sehen, dass Themen, die mich damals (Erstausgabe 1999) beschäftigt hielten, sich aufgelöst haben. Dinge, von denen ich vermutet hatte, dass sie eintreten, auch eingetreten sind. All das lässt sich rückblickend mit großer Dankbarkeit erkennen. Wachstum erleichtert das Leben enorm. Es ist wegweisend und erleichternd, der eigenen Intuition zu vertrauen.“
Januar 2016