Wandel & Wachstum

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Wandel. Das kann ja doch manchmal sehr schnell gehen. Wir haben gerade durch Corona erlebt, dass sich die Welt und das was wir gewöhnt sind, schnell wandeln kann. Im Januar noch erzählte mir mein früherer Mann, dass Freunde von ihm in Peking nur einmal die Woche die Wohnung verlassen dürfen um Lebensmittel einzukaufen. Als er mir das erzählte, konnte ich das kaum glauben.

Die Möglichkeit nicht – wann immer man will – aus dem Haus zu gehen, nicht verreisen zu können, jemanden nicht besuchen zu dürfen, war uns allen fremd. Und doch mussten wir mit diesem Wandel umgehen. Wie wir uns an diese neue Situation gewöhnten war sehr unterschiedlich.

Manche akzeptierten die Situation und versuchten das Beste daraus zu machen. Andere eher nicht. Einige verbreiteten Verschwörungstheorien oder versuchten aufzuklären – je nach Standpunkt und Einstellung konnte dies das Gleiche sein. Jeden Tag gab und gibt es neue Erkenntnisse – und damit genau das, was uns am Wandel irritiert: Wir wissen nicht genau, wie es weitergeht. In der Wissenschaft, wie in unserem Leben, wechseln Erfahrungen, Erlebnisse und … damit auch Ergebnisse.

In Zeiten von Corona konnten wir beobachten, wie unterschiedlich diese Zeit aufgenommen wurde. Manche von uns wurden zum ausatmen nach Hause geschickt. Andere arbeiteten mehr als jemals zuvor. Doch bei wohl allen gab es neue Gedankengänge: Weg von der Routine, hin zum Wandel.

Vieles wurde überprüft. Die Art zu Leben zum Beispiel.

Brauche ich wirklich so viele Termine? Bin ich froh über mein Homeoffice und die Vermeidung des Berufsverkehrs? Genieße ich die Stille draußen, den wenigen Verkehrslärm, das allgemeine Herunterfahren der Hektik? Erfreue ich mich an den Kindern zuhause? Oder will ich mit dem Menschen, mit dem ich mein Leben teile, wirklich noch zusammen sein? Nicht wenige haben in dieser Coronazeit beschlossen, ihr Leben zu verändern. Viele haben eine große Dankbarkeit für unser Leben hier entwickelt, weil wir gesehen haben, wie andere Länder die Situation gehandhabt haben und wie wir beneidet worden sind.

Für mich ist Wandel ein wichtiger Schritt auf meinem Seelenweg. Ich bin in erster Linie Seele, die hier eine menschliche Erfahrung macht und meine Seele sorgt dafür, dass ich die Erfahrungen, die für mein Wachstum wichtig sind, auch mache. Die Seele ist übrigens in meinen Augen nicht die Psyche; sie kann also nicht „krank“ werden und verletzt sein. Sie ist der Teil, der untrennbar mit der Unendlichkeit verbunden ist und übrig bleiben wird, wenn wir den Körper wieder verlassen. Wir sind mit jeder Zelle Wandel – und die Sabrina, die diese Zeilen schreibt, ist biologisch gesehen eine andere Sabrina, als die, die sie abgeben wird. Unser Verstand mag Wandel meistens nicht, denn das bringt ihn ziemlich durcheinander. Aber wir als Seele wissen um die Bewegung, die es für die kreative Schöpfung braucht. Stillstand ist nicht vorgesehen. Weder in der Natur, noch in und um uns.

Wie wir mit Veränderungen umgehen, hat viel damit zu tun, wie wir sie als Kind empfunden haben.

War das Ergebnis einer Veränderung angenehm oder unangenehm? Sind wir vielleicht vom Haus mit Garten, mit viel Natur und Freiheit nach der Trennung der Eltern – oder deren neuen Jobsituation – in eine Großstadt mit kleiner Wohnung im fünften Stock ohne Balkon gezogen? Haben wir uns dort fremd und einsam gefühlt?

Oder war es gerade anders herum? Hat jede Veränderung in unserer Kindheit uns mehr Freude gebracht? Vielleicht einen Hund zu Weihnachten? Neue Geschwister, an denen man sich erfreute. Endlich ein Umzug mit einem eigenen Zimmer? Der neue Freund der Mutter wurde ein aufmerksamer zweiter Vater?

Wenn wir uns mit Wandel schwer tun, dann hilft es, sich die eigene Kindheit anzuschauen. Wie waren die eigenen Erfahrungen mit Veränderungen? Welche Lebenseinstellung haben wir daraus entwickelt?

Ich kann mit Wandel sehr gut umgehen, was auch damit zu tun hat, dass in meinem Leben Wandel langfristig immer besser für mich war. Aus meiner nicht sehr glücklichen Kindheit gestaltete ich mir über die Jahre ein glückliches Erwachsenenleben. Das hat gedauert und doch wurde ich Stück für Stück wacher und klarer mit mir und dem was ich mir erschaffen möchte.

Wie aber können wir uns dem Wandel öffnen, wenn wir als Kind zu schmerzhafte Erfahrungen damit gemacht haben? In dem wir anfangen, die Vergangenheit zu befrieden. Wir verlassen das Schuldkonstrukt und wenden uns den Geschenken zu. Das ist kein einfacher Prozess. Denn manchmal haben wir uns durch die Schuldzuweisung so verloren, haben uns im „Zimmer des Selbstmitleids“ so lange eingerichtet, dass wir die Geschenke nicht erkennen können.

Als Beispiel: Mein Vater war Alkoholiker und lange habe ich ihn für vieles in meinem Leben verantwortlich gemacht: „Hätte ich nur einen netteren Vater gehabt, dann …“ Als ich anfing mir sein Leben genauer anzuschauen, entdeckte ich die Geschenke meiner anstrengenden Kindheit. Durch sein Beispiel habe ich mich von Süchten ferngehalten. Ich habe früh gelernt mich finanziell auf eigene Beine zu stellen, damit es mir mal nicht wie meiner Mutter geht. Ich sah die Ehe meiner Eltern und erkannte, dass das nicht Liebe sein kann. Ich begann mein spirituelles Wachstum, weil ich verstehen wollte, warum sich jemand so entwickelt. Und: Ich lernte Vergeben. Wenn ich jetzt über meine Kindheit oder meinen Vater spreche, dann lächele ich. Am Gesichtsausdruck erkennen wir, ob die Vergangenheit wirklich geheilt ist.

Durch die Erforschung unserer Vergangenheit – ohne darin kleben zu bleiben – erkennen wir unsere eigenen Seelenhausaufgaben und beginnen unser Leben klarer zu gestalten. Das was früher als unabdingbar empfunden wurde, erkennen wir jetzt als Wahl: Ich kann dazu als Erwachsene ja oder nein sagen.

Wir wechseln bei einem machtvollen Wandel von einer Art von Treibstoff (in diesem Fall Schuld) zu einer anderen (Wachheit). Ähnlich einer Geburt: Dort vom Fruchtwasser der Mutter zum eigenständigen Atmen.

Wandel ist zwar manchmal eine Erleichterung, häufiger aber ein anstrengender Geburtsprozess.

Das Kind wird ja auch nicht vom Storch vor dem Haus frisch gewindelt abgelegt. In diesem ganzen Prozess des Gebärens hilft es nicht, wenn wir brüllen: „Ich will dass das aufhört! Ich will wieder, dass es so ist wie vorher!“ Der Weg zurück ist nicht vorgesehen. Und wenn dann das Kind in unseren Armen liegt, ist die Anstrengung schnell vergessen. Das ist der Vorteil an vergangenen Schmerzen: Man erahnt sie nur noch.

Wenn es uns gelingt, jeden Wandel mit neugierigem Interesse zu betrachten, dann erkennen wir auch die Geschenke darin. Und wenn nicht, dann tauchen sie eben solange auf, bis wir es tun.

Seelenhausaufgaben eben. Sie sind dann doch zum Glück etwas hartnäckig.

 

 

Sabrina Fox hat in den letzten dreißig Jahren über ein Duzend Bücher zu ganzheitlichen Themen geschrieben. Sie absolvierte Ausbildungen als klinische Hypnosetherapeutin, Mediatorin, Konflikt-Coach und studierte Bildhauerei und Gesang. Ihr neuestes Buch „Wenn wir uns trennen, lernen wir uns kennen“ ist ein Beziehungs- und Arbeitsbuch um erfülltere Beziehungen zu gestalten. Für einen Weg nach mehr Klarheit und Leichtigkeit im Leben hat sie bei Sinnsucher-de drei umfangreiche Online-Kurse zum eigenen Erforschen und Üben gestaltet.

www.SabrinaFox.com

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