Inhalt

Worum geht es? Ein Jahr lang barfuß gehen. Was macht das mit einem? Und was macht das mit den anderen, die das beobachten? Wie läuft’s sich im Winter? Was ist mit all den schicken Schuhen, die frau natürlich hat – und liebt? Wie viel Mut braucht es in einer Gesellschaft, die Schuhe erwartet, keine zu tragen? Mit diesem Buch plädiert die Autorin für eine gesunde und natürliche Lebensweise. Konsequentes Barfußlaufen stellt unsere Lebensgewohnheiten in Frage und ermöglicht ein ganz neues Gefühl von Freiheit. Was ist besonders? Dieses Buch ist ein Live-Report über ein wunderbares Experiment der Selbstfindung.

Inhalt und Leseprobe

»Wo sind denn Ihre Schuhe?«

  • Willkommen im Barfuß-Land – Juli
  • Ist sie betrunken? – August
  • »Ist Ihnen nicht kalt?« – September
  • Der Körper lügt nicht – Oktober
  • »Schuhe? Zweiter Stock!« – November
  • Eine Frau ohne Schuhe mitten im Winter? – Dezember
  • »Sie ziehen das wirklich durch!« – Januar
  • »Warum tun wir Frauen uns das eigentlich an?« – Februar
  • »Das irritiert mich jetzt schon, dass Sie keine Schuhe tragen« – März
  • »Es ist nicht illegal, es ist nur ungewöhnlich« – April
  • »Ich hab noch nie jemanden gesehen, der hier barfuß rausgeht« – Mai
  • »Achtung! Achtung! Das ist ein Test!« – Juni

Die Entdeckung eines neuen Sinnesorgans

Dank

Anhang
– Wie fange ich mit dem Barfußgehen an?
– Barfußbücher und empfehlenswerte Links
– Barfußschuhe
– Über die Autorin
– Gewidmet in Dankbarkeit der Münchner Straßenreinigung


Irgendwann in der Zukunft

»Mama, schau mal, was ich da gefunden habe!«
»Das sind Fotos. Damit haben sich in früheren Zeiten die Menschen erinnert.«
»Was haben die denn da alle an den Füßen?«
»Das sind Schuhe.«
»Schuhe?«
»Damit hat man früher die Füße abgedeckt.«
»Ja, aber …«
»Ich weiß, aber damals dachte man, dass man sie braucht, und sie waren eben mal modern.«

»Wo sind denn Ihre Schuhe?«

Der Mann, der mit mir an der roten Ampel wartet, schaut mich überrascht an, als er mir diese Frage stellt.
»Sie sind zu Hause in meinem Schrank.«
Ich lächle ihn an und merke im selben Moment, dass das so eigentlich nicht ganz stimmt. Meine Schuhe sind in drei Schränken untergebracht.
Ich habe hundertzwei Paar. Ich hatte zwar immer gewusst, dass ich viele Schuhe besitze, aber dass es so viele sind, hätte ich nicht gedacht. Niemand braucht hundertzwei Paar Schuhe (wie viele man wirklich braucht, würde ich bald herausfinden).
Allein Flip-Flops habe ich elf Paar! Ich besitze erstaunlicherweise zehn Paar schwarze Stiefel: schwarze Cowboyboots, flache Stiefel mit Lammfell und flache Stiefel ohne Fell. Overknees mit hohem Absatz und Overknees mit flachem Absatz. Ich habe einmal hohe Stiefel bis unters Knie mit breitem Absatz und einmal mit elegantem Absatz. Ebenfalls in unterschiedlicher Absatzhöhe besitze ich zwei Paar Ankleboots (auf Deutsch die gute Stiefelette, die knöchelhoch ist), vorn abgerundet, und zusätzlich noch zwanzig Jahre alte Ankleboots, die vorn spitz zulaufen. Die werden bestimmt wieder modern. Wann ich die zum letzten Mal getragen habe? Ich kann mich nicht erinnern. Zwölf, dreizehn Jahre ist das bestimmt her. Und dann besitze ich noch ein Paar schwarze australische Uggs. Die habe ich als Stiefel gar nicht mitgezählt, weil die eher so was wie ein Fell-Hausschuh für draußen sind. Ich mag meine Uggs. Sie sind so elegant wie ein Traktor, aber so nützlich wie eine Küche. Davon habe ich ein weiteres Paar in Hellbraun und noch eines in Dunkelblau. Da kann man einfach bequem rein- und rausschlüpfen.
Ich habe Schuhe, die ich seit zwanzig Jahren nicht mehr getragen habe. Jedes Mal, wenn ich in meinen Schränken aufräume und Sachen hergebe – Sie werden es nicht glauben, aber das mache ich tatsächlich –, habe ich dieses bestimmte Paar Wanderstiefel in der Hand, von denen ich immer wieder glaube, dass ich sie doch noch mal anziehe. Vielleicht brauche ich die mal, wenn ich über die Alpen wandere? Oder diese zwei Paar handbestickter Pantoletten von Emma Hope. Das sind Kunstwerke! Die hatte ich letztes Mal, lassen Sie mich nachdenken, 1991 an. Die haben ein Vermögen gekostet! Und sie sehen toll aus – in meinem Schrank.
In meinen drei Schränken.

Es gibt Schuhe, die ich vielleicht einmal im Jahr anziehe. Davon habe ich jede Menge: meine witzigen lila High Heels zum Beispiel. Weiße Pumps, die man wirklich so gut wie nie braucht. Und dann gibt es Schuhe, die habe ich noch nie getragen: beige Ankleboots mit schwarzer Spitze. (Was mich da geritten hat? Ich weiß es nicht.) Wie viele ich wirklich oft regelmäßig trage? Vielleicht fünfzehn, vielleicht achtzehn Paar.
In meinem rechten Schuhschrank befindet sich auch eine Schale mit Blasenpflaster für meine sehr empfindlichen Füße. Jedes Frühjahr, wenn sie aus den dicken Winterschuhen und den Socken in die Sommerschuhe mit den entzückenden Riemchen wechseln wollen, brauche ich Blasenpflaster. Jede Menge Blasenpflaster.
Ich habe immer Blasenpflaster in meinem Portemonnaie. Vor Jahren habe ich auch diese Gel-Pflaster entdeckt, die den Druck wegnehmen. Einfach hinten in den Schuh reindrücken, und schon wird er erträglich.

Ja, erträglich. So war das noch bis vor Kurzem.
»Was ist denn da passiert?«, werden Sie sich jetzt möglicherweise fragen.
Seit knapp fünfundzwanzig Jahren beschäftige ich mich mit dem Zusammenhang von Seele, Körper und Geist. Gerade in den letzten Jahren legte sich der Fokus meiner Arbeit stärker darauf, unser Instrument – unseren Körper – zu verstehen: wie er mit uns kommuniziert, wie wir ihn unterstützen können, welche Warnzeichen er uns gibt, was wir über ihn wissen können, damit wir in unserer Gesamtheit ein glückliches und erfülltes Leben führen können. Wir – als unendliche Seele – können nur hier leben, wenn wir einen Körper haben. Und die Qualität unseres Lebens wird entscheidend davon beeinflusst, wie wohl wir uns in unserem Körper fühlen und mit welcher Sorgfalt wir ihn beachten. Der Körper lügt nicht. Wenn wir aufmerksam sind, erkennen wir seine Zeichen.
Ich schreibe in meinen eigenen Büchern seit Jahren auch immer über das Barfußgehen: darüber, die Füße zu erden, länger barfuß zu gehen und sich der eigenen Wurzeln wieder bewusst zu werden. Auf meiner Fan-Facebook-Seite gibt es einmal die Woche eine Übung, und immer mal wieder heißt es: »Schuhe aus und Mutter Erde spüren.« Mittlerweile ist das schon so etwas wie ein Running Gag geworden. Einer der Kommentare dazu kam eines Tages von einer Frau, die das Buch Füße gut. Alles gut von Carsten Stark gelesen hatte, und es mir empfahl: »Da ist jemand, der auch über das Barfußgehen spricht. So wie Du.«

Ich flog von München nach Hamburg, um ein paar Termine wahrzunehmen, und ich las in dem Buch. Darin werden diverse Übungen vorgeschlagen, die ich in Reihe 14C allerdings nicht machen konnte, und so freute ich mich darauf, sie bei meinen Freunden Eva und Wolfram auszuprobieren.
Während unseres gemeinsamen Abendessens erzählte ich ihnen von meinem neuen Lesestoff und den Übungen. Bei der ersten sollten wir barfuß stehen, dann den großen und den kleinen Zeh entspannt am Boden liegen lassen und die drei mittleren Zehen nach oben und unten bewegen – so, als ob sie winkten.
Drei Augenpaare starren jetzt auf meine nackten Zehen, die sich entweder alle oder gar nicht bewegen. Bei Eva und Wolfram klappt es auch nicht wie im Buch beschrieben. So weit ist es also schon mit uns gekommen: Wir haben Muskeln, die wir nicht mehr eigenständig bewegen können. Ich weiß, früher konnten wir auch mit den Ohren wackeln, was mittlerweile eine seltene Begabung ist, die nicht so oft gebraucht wird – aber die Zehen benutzen wir doch sehr viel häufiger in unserem Bewegungsapparat.
Die zweite Übung soll den Unterscheid zwischen Fersen- und Ballengang aufzeigen. Wir stehen dazu auf, stecken uns Finger in die Ohren und gehen ein paar Schritte, wie wir normalerweise gehen würden: auftretend mit der Ferse. Gleichzeitig schauen wir uns erschrocken an: Meine Herren, ist das laut! Wum! Wum! Wum! Ich verspüre das dringende Bedürfnis, mich bei meinem Körper zu entschuldigen. Ich hatte ja keine Ahnung, was er mit jedem Schritt auf die Ferse aushalten muss.
Dann geht es weiter mit dem zweiten Teil der Übung: wieder die Finger in die Ohren und jetzt mit dem Vorderfuß – also dem Ballen – zuerst auftreten. Davon abgesehen, dass wir so aussehen, als wanderten wir vorsichtig über glühende Kohlen, ist es beglückend still im Körper.

Im Buch steht viel über den Ballengang, also unsere Möglichkeit, zuerst mit dem Vorderfuß aufzutreten, statt mit der Ferse hart aufzukommen und nach vorn abzurollen, wie wir das alle brav gelernt haben. Beim Barfußlaufen kommen wir automatisch zuerst mit dem Ballen auf. Die Ferse berührt nur am Schluss leicht den Boden. Wenn wir Schuhe tragen, ist es fast immer umgekehrt.

Ich gehe nachdenklich ins Bett. Was tue ich da mit jedem normalen Fersenschritt meinem Körper an? Ich fühle mich, wie sich ein Kinderschläger fühlen muss, dem mit einem Mal klar wird, dass Prügel keine Erziehungsmaßnahme ist. Auch ich schlage meinen Körper mit jedem Schritt. Das kann nicht richtig sein. Das klingt nicht gut!
Ich bin ein Klangmensch. Ich singe jeden Tag, und Töne sind für mich wichtig. Dieser Krach, das sind die »Töne«, denen mein Körper ständig ausgesetzt ist.


Am nächsten Morgen machen wir mit den zwei kleinen Hunden einen Spaziergang im Wald. Ich will gleich umsetzen, was ich gelesen habe, und ziehe meine Schuhe und Socken aus. Dieser Waldweg ist ideal fürs Barfußgehen: einfach nur eingestampfte Erde. Glatt. Gelegentlich kleine Steinchen, denen man ausweichen kann. Eva zieht ihre Schuhe auch für eine Weile aus, genießt das Erspüren des Waldbodens und übt – wie ich –, vorn aufzutreten. Wolfram ist vorausgejoggt und probiert es am Ende seines Laufs auch mit dem Ballengang. »Interessant«, meint er.

Beide sind nur halb so begeistert wie ich. Ich aber bebe innerlich. Mich hatʼs erwischt. Das kenne ich schon: Mit diesem ersten Impuls wird bei mir ein Forscherdrang ausgelöst, der so stark ist, dass ich ihm weder ausweichen kann noch ausweichen will. Ich werde auf dieser Spur bleiben, bis ich das gelernt habe, was für mich wichtig ist, auch wenn ich die Einzige auf weiter Flur bin. Was ich dann auch sein soll, wie ich schon bald merke.
Aber zuerst geht es zurück ins Auto. Einen Blick auf meine Füße, und mir wird klar, dass ich den halben Waldboden mit ins saubere Auto schleppen würde. Die beiden Hunde müssen hinten in den Kombi. Ich in Zukunft auch? Gott sei Dank habe ich immer Taschentücher dabei und reinige damit meine Fußsohlen. Mit Schuhen wäre ich einfach eingestiegen, obwohl ich da genauso viel Dreck ins Auto gebracht hätte. Nicht die einzige absurde Selbstverständlichkeit, die mir noch auffallen sollte.

Ein Plädoyer für die Füße

Stellen Sie sich vor, man würde Ihnen verbieten, ein Bett in einer kleinen, dunklen Kammer zu verlassen. Man ist besorgt um sie. Möchte nicht, dass …

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