Ein enger Freund von mir las in einem Buch der grandiosen Schriftstellerin Isabel Allende eine Passage, in der ein Meister seinem Schüler erklärt, dass ein wahrer Meister immer „joyful“ (also immer froh) ist.

Tja.

Immer froh. IMMER froh! Ganz schön viel verlangt von so einer Meisterschaft.

Immer froh.

Immer froh, auch wenn das Mitgefühl eintritt?

Immer froh, auch wenn man Abschied nimmt?

Immer froh, auch wenn man die dunkle Nacht der Seele erlebt?

Trotzdem immer froh?

 

Und als erstes schaut man sich selber an – oder in diesem Fall haben dieser Freund und ich uns gemeinsam angeschaut und sofort gemerkt: Wir sind das nicht.

Später im Gespräch stellten wir uns die Frage ob das, hier als Fiktion geschrieben, auch wirklich stimmt? Ist es wirklich so, dass man als Meister immer froh ist? Und wenn dies das Ziel ist, warum ist es das Ziel?

Und ist das nicht viel leichter zu erreichen, wenn ich oben auf meiner Berghütte, einsam und genügsam, ohne Internet und ohne Familie, ohne Job und ohne finanzielle Zwänge einfach meine Reisschale leere, die mir jemand bringt?

Erwarten wir da nicht auch zu viel von uns, die wir eben nicht so ein Leben führen?

Immer froh.

 

Ich bin froh, wenn ich es zu immer wach schaffe.

Ihr Lieben,

ich freue mich in Zukunft einen regelmässigen Blog anzubieten, der hoffentlich interessant ist und inspiriert. Das hier ist ein Teil meines Jahresrückblicks, aber auch ein Teil meines täglichen Lebens. Vielleicht unterstützt es Euch.

Herzlichst,

Sabrina

 

Ist das wichtig?

http://www.ldthompson.com/

Ein Plädoyer für die Füße

Stellen Sie sich vor, man würde Ihnen verbieten, ein Bett in einer kleinen, dunklen Kammer zu verlassen. Man ist besorgt um sie. Möchte nicht, dass Sie sich verletzen. Außerdem könnten Sie dreckig werden. Die Welt ist nicht sauber. Es ist also zu Ihrem Schutz. Das müssen Sie doch einsehen!

Nun gut, Sie werden etwas von Ihren Bewegungsfähigkeiten verlieren, aber wer ist denn wirklich heute noch ganz und gar beweglich? Von der Welt bekommen Sie natürlich auch nicht mehr viel mit, aber dafür sind Sie vor Überraschungen sicher. Und ja, es müffelt ein bisschen – so ganz ohne Fenster – aber es fliegen auch keine Ungeziefer herein. Dafür bekommen Sie immer mal wieder ein neues Bett. Zugegeben, viel Platz haben Sie da drin nicht und Sie stoßen auch dauernd mit dem Kopf an die Bettkante, aber Sie und das Bett sehen gut aus. Das ist doch was!

Vor so einer Einschränkung würden wir uns ganz sicher wehren. Ja, das Leben ist zu einem gewissen Grad gefährlich, aber das Risiko gehen wir für unsere Freiheit ein. Natürlich kann man mal die Treppe herunterfallen, aber wir werden uns dafür nicht nur im Erdgeschoss aufhalten. Ja, es gibt Autounfälle, aber trotzdem sitzen wir gelegentlich in einem. Jedes Jahr sterben ca. 8.000 Menschen in Deutschland durch Grippe und doch gehen wir im Winter aus dem Haus.
Wir wollen uns frei bewegen.

Unsere Füße wollen das auch. Aber wir sperren sie ein. Zu ihrem Schutz. Natürlich lassen wir sie ab und zu mal „raus“: Im Sommer auf einer Wiese. Vielleicht in der Wohnung. Am Strand im Urlaub. Doch wie viel Prozent der Zeit dürfen sich die Füße wirklich frei bewegen, vom nächtlichen Schlafen und der halben Stunde im Bad mal abgesehen?

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barfuss im Wasser

Muskeln und Sehen müssen trainiert werden. Unser Fußgewölbe stabilisiert sich durch das Bewegen unserer Füße. Mit jedem Schritt müssen wir uns den unterschiedlichen Untergründen anpassen. Das hält den Fuß auf Trapp. Leider verlieren wir mit Schuhen einen unserer Sinne und unsere Füße schlafen ein. Wir erspüren keinen Untergrund mehr und keine Temperaturschwankung. Das was uns mit Schuhen hingegen am meisten beschäftigt ist ihre Bequemlichkeit, ihre Schönheit und … die Frage was wir mit der Hornhaut, den entstandenen Blasen, dem Käsegeruch und den verkümmerten Zehen machen sollen?

Seit Juli 2014 gehe ich barfuß. Zuhause, auf der Straße, in Flugzeugen, in Straßenbahnen, in Läden, in Museen, in Galerien, in Restaurants, auf Bühnen, auf Reisen, bei Regen und Schnee. Natürlich höre ich auf meinen Körper und wenn es meinen Füßen zu kalt ist, dann schütze ich sie. Doch selbst unter Null Temperaturen gehen noch für ein paar hundert Meter. Wer hätte das gedachte? Ich damals nicht.

Und nein, ich habe keine dicke Hornhaut. Diese bildet sich als Schutzfunktion gegen Reibung. Meine Füße reiben gegen nichts mehr. Als ich anfing immer barfuß zu gehen, fiel mir als erstes eine Sache auf: Die Welt ist voller unterschiedlicher Temperaturen und Bodenbeläge und es macht richtig Spaß, das zu entdecken. Jeder Schritt wird zum Abenteuer!

Einige Leute fragen interessiert: Wo sind denn ihre Schuhe? (Zuhause im Schrank.) Macht das Spaß? (Ja!). Sind Sie schon mal irgendwo reingestiegen? (Ja. Ein-zweimal im Jahr in  Glasscherben – aber meine Hände haben sich schon öfter geschnitten. Der Trick ist übrigens gleich stehen zu bleiben und den kleinen Splitter sofort wieder rauszuholen). Schauen die Leute? (Ja. Manchmal fällt das auf, manchmal nicht.). Sind ihre Füße nicht kalt? (Nein, sie werden ja bewegt.) Ekelt es sie nicht? (Nicht mehr. Das habe ich mir abgewöhnt und meine Füße werden so oft gewaschen wie nie zuvor).

Eine Frage wird mir allerdings nie gestellt: „Ist das denn gesund?“

Wir wissen, dass es gesund ist

barfuss-in-muenchen

Barfuss in München

Ich war gesund, als ich mit dem Barfußgehen anfing. Obwohl ich nicht krank war, hatte ich doch einige Herausforderungen. Ich fand oft, dass ich nicht gerade stehe. Dass da irgendetwas mit meinem Bewegungsablauf nicht stimmt. Meine Sehnen an den Beinen waren verkürzt und meldeten sich öfters. Das hat sich alles zum besseren verändert. Schon nach dem ersten Jahr.

Unsere Füße sind ein hochkomplexes, fantastisches Kunstwerk. Sie sind mit 26 Knochen, 27 Gelenken, 107 Bändern, 32 Muskeln und Sehnen und unzähligen Nervenzellen ähnlich faszinierend wie unsere Hände. Wir können springen, landen, laufen, stehen. Wir könnten sogar mit ihnen Heruntergefallenes vom Boden aufheben, Türen aufmachen, einen Stift halten. Menschen ohne Arme haben immer schon ihre Füße als Ersatz benutzt und dafür eine erstaunliche Beweglichkeit entwickelt, die wir in Internet-Videos bewundern können. Füße haben mehr Sensoren als unser Gesicht. Mehr Knochen als unsere Arme. Unsere Fußgelenke sind so genial gebaut, dass sie Baumeister zu Meisterwerken inspiriert haben. Diese relativ kleinen Füße sind in der Lage unseren viel längeren und schweren Körper so zu balancieren und zu bewegen, dass wir nicht umfallen. Das alleine ist eine Meisterleistung.

Die weltweit besten Läufer und Jogger kommen häufig aus den bäuerlichen Gebieten Afrikas und sind ohne Schuhe aufgewachsen. Ihre Füße konnten sich über Jahre zu einem starken Instrument der Fortbewegung entwickeln. Der Äthiopier Abebe Bikila gewann 1960 die Goldmedaille im Marathonlauf und lief kurzerhand barfuß – weil er das als Kind schon getan hatte und kein passender Schuh zur Olympiade nach Rom mitgeliefert wurde.

Leute, die barfuß laufen, landen auf dem Ballen, also genau vor dem Fußgewölbe. Dann erst kommt die Ferse nach unten. Das ist sehr viel bequemer. Der ganze Vorderfuß ist mit seinen Gelenken auf Federung eingestellt. Seit über zwei Millionen Jahren sind die meisten Leute so gelaufen. Wenn wir kleine Kinder beobachten, die barfuß gehen, dann treten sie mit dem ganzen Fuß fast gleichmäßig auf. Wenn wir barfuß laufen, landen wir auf dem Vorderfuß. Wenn wir eine Gangart runterschalten – also gehen – treten die meisten von uns mit der Ferse auf. Das haben wir alle so gelernt: Den Fuß von der Ferse her abrollen. Das galt – noch bis vor kurzem – als die einzige richtige Art des Gehens. Und mit Schuhen – besonders mit festem Schuhwerk – ist auch kaum etwas anderes möglich.

Und hier gilt es einen Moment innezuhalten: Mit festem Schuhwerk ist kaum etwas anderes möglich! Der Fuß wird eingeschnürt und dadurch bewegungsunfähig. Nur wenn wir eine flexible, dünne, absatzlose Sohle tragen, die uns den Fuß komplett entspannen lässt, können wir mit dem Vorderfuß auftreten. Ansonsten bleibt uns nur der Fersengang. Bei manchen Damenschuhen im Ballerina-Stil ist das möglich. Bei den üblichen Männerschuhen gibt es oft gar keine Option. Außer bei einigen Modellen der neu konzipierten Minimal-Schuhe. Und damit wir dabei den viel härteren Aufprall der Ferse nicht spüren, mussten Absätze her, die den Schmerz abfedern. Die Erschütterung stoppen sie allerdings nicht. Sie wird weitergegeben: An die Knie, die Hüften, hinauf bis zum Ende unserer Wirbelsäule.

Was mich ebenfalls daran faszinierte war der leise Gang. Als ich noch in der Stadt wohnte wusste meine früheren Nachbarn immer wann ich zuhause war. Obwohl ich barfuß ging, machte ich mit dem Fersen-Auftritt noch genug Krach. Ich übte mich im Ballengang und das war am Anfang nicht einfach. Mit dem entspannten Vorderfuß zuerst aufzutreten – ohne ihn nach vorne auszustrecken – erforderte einiges an Bereitschaft zur Veränderung.

Immer wieder werde ich gefragt, ob ich denn Verbesserungen erlebt habe und ich habe mir eine Liste dafür angelegt, weil ich sonst die Hälfte vergesse (siehe Barfuß Vorteile “). Das, was mich am meisten bei diesem Abenteuer Barfußgehen überrascht hat, war das Gefühl von Freiheit, das man damit geschenkt bekommt. Als Frau erinnern mich Schuhe jetzt an ein enges Korsett. Es wurde Anfang des 19. Jahrhunderts abgeschafft, weil Frauen merkten, dass es zu sehr einengt. Jetzt wird es Zeit, hundert Jahre später, das Gleiche mit den Schuhen zu tun. Wahrscheinlich gehören sie auf den Listenplatz der schädlichen Substanzen gleich neben den Zucker.

Wenn wir mal darüber nachdenken, wie oft wir uns an den Händen verletzten, wundert es mich, dass wir für sie noch keinen permanenten Schutz erfunden haben. Wie oft haben wir uns schon mit einem Messer geschnitten? Wie oft durch die scharfe Kante einer Glasscheibe die Haut aufgeschnitten? Wie oft am Papier geschnitten? Wie oft schon geblutet? Wie oft unsere Finger eingeklemmt? Wie oft irgendwo aufgekratzt? Wie oft etwas Unsauberes berührt?

Das einzige was Hände brauchen sind Handschuhe, wenn es notwendig ist. Und genau das ist es auch, was unsere Füße brauchen. Nicht mehr und nicht weniger. Und ja, ich ziehe Schuhe an, nämlich dann, wenn es zu heiß, zu kalt oder zu gefährlich ist.

Wenn wir das Altwerden bei unseren Mitmenschen wie auch uns selbst beobachten dürfen, dann fällt eines immer wieder auf: Es scheint, dass die Beine das häufigste Körperteil ist, das früh aufgibt: Jede Menge Rollatoren, mühsames sich bücken, langsames Gehen, Knieprobleme usw. Warum ist das so? Warum geben unsere Arme nicht gleichzeitig auf, die auch sehr viel tragen und bewegen müssen? Verlieren unsere Beine Kraft und Elastizität, weil wir den Körperteil darunter, die Füße so schlecht behandeln? Unsere nackten Fußsohlen geben jede Sekunde wichtige Impulse an den Rest des Körpers ab – welche Impulse dürfen Ihre Füße abgeben?

Wir kommen nicht auf die Idee unsere Hände einzusperren, weil wir unsere Hände sensibel und beweglich halten möchten. Wir wollen in der Lage sein, mit Hilfe unserer viel geübten Feinmotorik einen Faden durch ein Nadelöhr zu kriegen. Wir wollen in der Lage sein, auf der kleinen Tastatur unseres Smartphone eine Nachricht zu tippen. Wir wollen die Haut unserer Liebsten erspüren. Wir wollen im Stande sein komplizierte Verschlüsse zu öffnen. Wir wollen uns waschen, anziehen, frisieren, rasieren, schminken und kratzen können.

Und was sollen unsere Füße?
Unseren kompletten Bewegungsablauf von der Wurzel an bis an unser Lebensende gesund halten.
Tja.
Ist das wirklich so viel unwichtiger als dass, was unsere Hände tun?

 

 

Nähere dazu über mein erstes Jahr barfuß in meinem Buch:
„Auf freiem Fuß – Ein Jahr ohne Schuhe?“ – Ein Experiment

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Foto: J.Wagner

Barfuß-Vorteile

Was wird besser?
• Die Beweglichkeit der Füße wird wieder hergestellt
• Das Immunsystem wird gestärkt
• Fuß-Muskulatur wird gekräftigt und stabilisiert (Hilfe für Plattfüße etc.)
• Fußnerven werden angeregt und verkümmerte Fußnerven werden aktiver
• Fuß wird besser durchblutet und ist weniger kalt
• Haltung verbessert sich
• Sehnen werden gedehnt und gekräftigt (Archillessehne)
• Zehen werden beweglicher
• Fußgewölbe wird stabiler
• Keine Blasen mehr
• Krampfadern werden weniger
• Keinen Fußschweiß – keinen Fußpilz
• Für Kinder extrem wichtig für die gesunde Entwicklung des Fußes.
• Übrigens: Blasenentzündungen gibt es auch keine, denn diese werden durch Bakterien verursacht und nicht durch kalte Füße

Wie fühlt man sich?
• Fühlt sich freier, lebendiger
• Gang wird leichter, sanfter und aufmerksamer
• Man folgt seinem eigenen Rhythmus
• Es macht Spaß!
• Man spürt seine Füße immer und weiß wo sie sind
• Man stößt sich nicht mehr an
• Erstaunlicherweise ist mir niemand auf die Füße gestiegen, weil ich mit ihnen nicht mehr unaufmerksam bin
• Die Wurzeln unseres Körpers werden aktiviert
• Das aufmerksame Erspüren des unteren Körperbereichs
• Man hat keine kalten Füße mehr
• Keine Blasen mehr – es reibt ja auch nichts mehr an der Haut.
• Der Fuß wird bei jedem Schritt massiert
• Da der Fuß beweglicher wird, hebt er dann die Bereiche hoch auf denen er beim Auftreten etwas Spitzes spürt.
• Der Beckenbereich wird flexibler und offener
• Man genießt den Regen
• und sogar für ein paar hundert Meter den Schnee

Fazit: Mit Schuhen sperren wir einen unserer Sinne weg.


Gehst Du immer noch barfuß? (Update vom 4. Mai 2021)

Ja. Allerdings habe ich am Anfang der Corona-Zeit (2020) häufiger Schuhe angezogen, weil ich merkte, dass es meine Mitmenschen irritiert hatte, dass ich zwar Maske trug – aber schuhlos war. Und es liegt nicht in meinem interesse meine Mitmenschen zu erschrecken. Mein Lieblings-Italiener bat mich beim Abholen Schuhe anzuziehen und das tat ich dann auch.

„Normale“ Schuhe trage ich überhaupt nicht mehr. Sondern wenn ich Schuhe trage, dann sind es Barfuß-Schuhe und zwar die, die den Namen auch verdienen: Dünne, bewegliche Sohle. Viel Freiraum für die Zehen. Manchmal ziehe ich aus Bequemlichkeit Schuhe an (manche Tiefgaragenböden sind wirklich sehr schmutzig) oder wenn ich Rasenmähe (das grün bleibt lange haften) und manchmal weil ich unauffälliger bin. Allerdings hat sich da einiges getan: Es gibt mehr und mehr Menschen die Barfußgeher*innen kennen und deshalb nicht mehr so erstaunt sind, wie ich damals vor sieben Jahren anfing.

Es ist mir weiterhin ein großes Vergnügen meine Füße zu spüren und ich möchte es nicht missen.

Warum ich barfuß gehe? (Update: 13.März 2017)

… oder ob ich immer noch barfuß gehe, das werde ich in den letzten zwei 1/2 Jahren immer mal wieder gefragt. Das ist hier ein Update mit ein paar Informationen von meinem ersten Blog dazu. Also: Ich gehe schon seit vielen Jahren barfuß – eben das übliche: Zuhause, auf der Wiese, gelegentlich im Wald oder beim Wandern. Ich war aber früher nie barfuß in Restaurants, beim Wandern, im Zug oder bei meinen Vorträgen. Ich habe immer schon in meinen Büchern, auf meiner Website oder auf Facebook angeregt mal die Schuhe auszuziehen. Ich glaube, dass es wichtig ist, wenn wir die Erde, den Boden erspüren und mal alles wegnehmen, was uns von Mutter Erde trennt. Aber die Betonung lag auf „mal“ und nicht auf oft.

Natürlich bin ich auch Frau und mit dem (ich befürchte fast) genetischen Schuhtick ausgestattet. Aber ich habe empfindliche Füße. Blasenpflaster waren immer in meiner Handtasche und wenn ich von den Winterschuhen mit den dicken Socken in die Riemensandalen wechselte, kamen die Blasen. Ich war deswegen auch immer auf der Suche nach den “perfekten” Schuhen. Welche, die nicht schmerzen. Besonders suchte ich den perfekten Schuh für die Reise, denn wenn ich unterwegs war, nahm ich einen halben Schuhladen mit: Ballerinas, High Heels, Turnschuhe, Flipflops, Stiefel. Das war immer sehr mühsam. Dafür alleine lohnt sich das Barfußgehen schon; in meinem Koffer habe ich jetzt mehr Platz.

Erst als ich die Schuhe ganz auszog verstand ich, dass ich die „perfekten Schuhe“ immer schon hatte: Meine Füße!

Mir fiel früher oft auf, dass meine Haltung nicht ganz korrekt war. Ich fiel zu sehr nach vorne, wenn ich stand. Ich hatte auch immer Schwierigkeiten lange zu stehen. Irgendetwas stimmte an meinem Bewegungsablauf nicht.

Dann las ich im Juli 2014 das Buch von Carsten Stark: “Füsse gut, alles gut” – und zog, nachdem ich die letzte Seite gelesen hatte, im Flieger sofort meine Schuhe aus. Ich war fasziniert vom Ballengang und wollte ihn unbedingt ausprobieren. Ich kaufte mir in der Ankunftshalle in der Apotheke feuchte Reinigungstücher, um mir die Füße abzuwischen, wenn ich irgendwo reintrete oder jemanden besuche … und das war es dann. Seitdem gehe ich fast alles barfuß.

Ich habe mir den Ballengang angewöhnt – also vorne mit dem Ballen zuerst auftreten und nicht mit der Ferse. Dadurch ist das Aufprall bei jedem Schritt im Körper sehr viel sanfter. Das hat eine Weile gedauert und war zuerst mit erstaunlichem Muskelkater verbunden. Jetzt fühle ich mich wohl damit.

Ich gehe zu 90% barfuß und ich bin in diesen zwei einhalb Jahren drei Mal in Glasscherben reingetreten. Der Trick ist dabei sofort nachzusehen, wenn einem an den Fußsohlen etwas weh tut. Und dann entfernen, was stört. Im Winter kann ich keinen langen Schneespaziergang machen. Neuer Schnee macht noch Spass – für eine Weile. Alter Schnee ist mir zu kalt. Da brauche ich einfach Schuhe. Und dazu sind sie ja auch da. Man braucht Schuhe, wie man Handschuhe braucht: Es ist zu heiß, zu kalt oder zu gefährlich.

Man merkt beim Barfußgehen auch sofort, wenn man eine Schonhaltung einnimmt. Ich habe mir mal beim Laufen den Knöchel leicht verletzt und spürte sofort, dass mein Bewegungsapparat nicht mehr rund lief. Als ich dann für ein paar Tage Schuhe trug, da ich Schmerzen hatte und einen Puffer brauchte, spürte ich den Unterschied: Barfuß spüre ich, wenn ich eine Schonhaltung einnehme. Mit Schuhen nicht.

Barfuß zu gehen ist ein unfassbares Freiheitsgefühl. Früher bevorzugte ich das Radfahren, heute das Gehen, denn so erspüre ich die unterschiedlichen Böden. Straßen sind übrigens sehr warm. Muss am Teer liegen. Manche Supermärkte eiskalt. Der Münchner Flughafen hat einen fantastischen Boden: Richtig gemütlich für die Füße. Gras, Wiese, der Boden im Nadelwald, Matsch – das ist natürlich großartig. Regen! Unnachahmlich fantastisch. Und saubere Füße gibt es obendrein noch. Alleine schon sich nicht zu überlegen, welche Schuhe man anzieht, wenn man schnell die Post holt oder Brot vom Bäcker ist herrlich.

Das einzige was mich am Anfang störte, war das Auffallen. Natürlich ist es praktisch, wenn ich einen Vortrag halte, wahrgenommen zu werden – aber in meinem privaten Leben bin ich lieber Beobachter, statt Beobachtete. Und hier ist die Frage, die sich uns allen immer wieder stellt: Passe ich mich an oder erspüre ich, was ich selbst brauche? Dazu gehören gelegentlich seltsame Blicke von Anderen, aber eben auch interessante Gespräche. Was mich am meisten beeindruckt und rührt, ist die Großzügigkeit, die wir Deutschen uns angewöhnt haben. In meiner Generation durfte man als Kind nicht auf dem Rasen spielen und was die Nachbarn sagten, war das Amen in der Kirche. Jetzt sieht man mich barfuß in Restaurants, im Flugzeug, im Zug, auf der Straße, in Museen und Konzerten und niemand beschwert sich. Ich finde das toll!

Beim Barfußgehen werden unsere Füße wieder wach. Unser Energiefeld das oben gut funktioniert (Augen, Ohren, Nase, Hände) wird auch unten wieder aktiviert. Wir inspirieren unseren Körper wieder überall zu spüren. Der Körper im harmonischen Ganzen und nicht abgetrennt in eine obere und eine untere Hälfte. Wir haben fast verlernt, wie es sich anfühlt, frei an den Füssen zu sein. Stellt Euch vor, wir würden immer zu enge Handschuhe tragen und dann könnten wir sie endlich ausziehen… unsere Hände würden es uns danken und unsere Füße tun das eben auch.

Bei vier, sogar drei Grad fühlen sich meine Füße noch sehr wohl. Eine halbe Stunde barfuß ist noch angenehm. Meine Augen sagten mir am Anfang häufig: „Zieh Dir Schuhe an! Da draußen ist es kalt!“ Aber was wissen die Augen schon von Kälte? Sie sitzen warm verpackt mitten im Kopf. Meine Füße hingegen sagen nach den ersten Schritten nach draußen: „Was willst du denn? Das ist doch herrlich!“ Ich habe keine Erkältung und keine Blasenentzündung gekriegt (auf die meine Mutter am Anfang monatelang wartete. Blasenentzündungen haben etwas mit Bakterien und nichts mit kalten Füssen zu tun. Das war das Märchen dass uns erzählt worden ist, damit wir Schuhe ANziehen.)

Natürlich höre ich auf meine Füße. Wenn sie sich unwohl fühlen und es ihnen zu kalt wird, dann ziehe ich Minimal-Schuhe oder Barfußschuhe an. Ich mag da besonders die Leguanos. Es geht nicht darum, dass wir stur barfuß gehen, selbst wenn unser Körper uns andere Zeichen gibt (zu kalt, zu heiß, zu gefährlich). Ich habe nicht umsonst „BodyBlessing – der liebevolle Weg zum eigenen Körper“ geschrieben, um meinen Körper und seine Signale dann zu ignorieren. Also wenn meine Füße sagen, dass es ihnen zu kalt ist oder ich sehe, dass die Situation unpraktisch ist, dann ziehe ich etwas an. Ich war zum Beispiel im letzten Herbst in Südafrika und stellte zu meiner großen Überraschung fest, dass es dort auf manchen Wanderwegen mehr Glasscherben gibt, als auf dem Oktoberfest. Und dann habe ich mir Schutz geholt. Dazu benutzte ich die Xero-Schuhe oder neuerdings die von Chala, die nur eine dünne bewegliche Sohle mit einer paar Bändern zum festhalten haben.

Es ist auch unpraktisch von heute auf morgen die Schuhe auszuziehen und dann barfuß einen Marathon zu laufen. Da kann man sich enorm verletzen. Unsere Füße sind in Schuhen nichts mehr gewöhnt und das dauert eben ein bißchen, bis sie sich auf die neugewonnene Freiheit eingestellt haben. Gönnen wir ihnen die Zeit der Umgewöhnung.

Gerade Frauen beschweren sich oft über zu kalte Füße. Unsere Füße sind kalt, weil sie der Körper nicht mehr durchblutet. Der denkt sich: „Da unten passiert nichts, die sind eingesperrt in Schuhe, da brauche ich nichts mehr machen.“ Unsere Füße – wenn sie zu oft kalt sind – sind quasi halb abgestorben. Wenn wir barfuß gehen, werden unsere Füße wieder bewegt und damit durchblutet sie der Körper auch schneller. Ergo: Schnell wieder warme Füße.

Mir ist klar, dass nicht alle von uns ihre Schuhe ausziehen werden oder können. Aber wenn wir unsere Füße öfter bewegen lassen, wenn wir wenigstens ein paar Barfuß-Schuhe mit beweglicher Sohle benutzen, wenn Kinder wieder mehr barfuß gehen dürfen – dann ist schon viel passiert und unser Körper wird es uns danken. Es gibt erstaunlich viele Barfuß-Schuhe, die überhaupt nicht auffallen. Zwar erspürt man den Boden damit nicht – was ich persönlich sehr schade finde – aber der Fuß wird wenigstens bewegt. Manche Barfuß-Schuhe verdienen aber ihren Namen nicht. Die Sohle zu dick, der ganze Schuh zu klobig – da hat wohl jemand nicht ganz aufgepasst …

Wann trage ich Schuhe? Wenn ich mit Leuten unterwegs bin, denen es unangenehm ist, wenn ich barfuß bin. Ich frage da einfach nach. Warum sollte ich unsere gemeinsame Zeit ohne Schuhe für meine Freunde/Familie anstrengender machen? Wenn ich ab und zu Schuhe trage, dann fällt mir kein Zacken aus der Krone. Eine gewisse Flexibiltät finde ich macht das Leben leichter. Ich trage Schuhe auf Beerdigungen und manchmal Hochzeiten. Bei Gelegenheiten eben, bei denen ich die Aufmerksamkeit von der Hauptperson/dem Hauptzweck ablenken würde. Da ich immer zusammengefaltete Ersatzschuhe in meiner Handtasche habe, ist es ein einfaches mich zu entscheiden.

Gerade in diesem Jahr ist mir aufgefallen, dass die Leute nicht mehr sagen: „Oh Gott, Sie sind ja barfuß!“ – sondern eher: „Ach, Sie sind Barfußgängerin. Davon habe ich schon gehört.“ So ging es auch bei den Vegetariern damals los und jetzt ist das keine große Sache mehr. Das wünsche ich mir für unsere Füße und unser Wohlbefinden auch.

Herzlichst,

Sabrina


Mein erster Blogbeitrag nach 5 Monaten

“Warum ich barfuß gehe“ … das werde ich immer wieder gefragt. Also: Ich gehe schon seit vielen Jahren barfuß – eben das übliche: Zuhause, auf der Wiese, gelegentlich im Wald oder beim Wandern. Oft habe ich in den letzten Jahren entweder in meinen Büchern, hier auf der Website oder auf meiner Facebook-Seite angeregt mal die Schuhe auszuziehen. Ich glaube, dass es wichtig ist, wenn wir die Erde, den Boden erspüren und mal alles wegnehmen, was uns von Mutter Erde trennt.
Natürlich bin ich auch Frau und mit dem (ich befürchte fast) genetischen Schuhtick ausgestattet. Ich war immer auf der Suche nach den “perfekten” Schuhen. Besonders den perfekten Schuhen für die Reise, denn wenn ich reise, nehme ich einen halben Schuhladen mit: Ballerinas, High Heels, Turnschuhe, Flipflops, Stiefel. Das war immer sehr mühsam. Dafür alleine lohnt sich das Barfußgehen schon; in meinem Koffer habe ich jetzt mehr Platz.

sabrina-barfuss-muenchen

Barfuß in München

Außerdem fiel mir gelegentlich auf, dass meine Haltung nicht ganz korrekt war. Ich falle zu sehr nach vorne, wenn ich stehe. Ich hatte auch immer Schwierigkeiten lange zu stehen. Irgendetwas stimmte an meinem Bewegungsablauf nicht.
Dann las ich im letzten Juli (2014) das Buch von Carsten Stark: “Füsse gut, alles gut” – und zog, nachdem ich die letzte Seite gelesen hatte, im Flieger sofort meine Schuhe aus. Ich kaufte mir in der Ankunftshalle in der Apotheke feuchte Reinigungstücher, um mir die Füße abzuwischen, wenn ich irgendwo reintrete oder jemanden besuche … und das war es dann. Seitdem gehe ich fast alles barfuß.
Ich habe mir den Ballengang angewöhnt – also vorne mit dem Ballen zuerst auftreten und nicht mit der Ferse. Dadurch ist das Aufprall bei jedem Schritt im Körper sehr viel sanfter. Das hat eine Weile gedauert und war zuerst mit erstaunlichem Muskelkater verbunden. Jetzt fühle ich mich wohl damit.


sabrina-barfuss-ladies

Sabrina mit „barfuss-ladies“

Ich schreibe diese Zeilen jetzt Anfang Dezember 2014 und bin in diesem halben Jahr nicht ein einziges Mal in irgendwas reingetreten und ich schaue selten auf den Boden. Das ist mir zu mühsam. Ich habe meinem Energiefeld gesagt, es muss sich darum kümmern, dass ich mich nicht verletze – und das macht es auch.
Barfuß zu gehen ist ein unfassbares Freiheitsgefühl. Ich liebe es jetzt zu gehen und unterschiedliche Böden zu spüren. Straßen sind übrigens sehr warm. Muss am Teer liegen. Manche Supermärkte eiskalt. Der Münchner Flughafen hat einen fantastischen Boden. Richtig gemütlich für die Füße. Gras, Wiese, der Boden im Nadelwald, Match – das ist natürlich großartig. Regen! Unnachahmlich fantastisch. Und saubere Füße gibt es obendrein noch. Alleine schon sich nicht zu überlegen, welche Schuhe man anzieht, wenn man schnell die Post holt oder Brot vom Bäcker.
Eigentlich will ich nicht auffallen. Tue es natürlich. Und hier ist die Frage, die sich uns allen immer wieder stellt: Passe ich mich an oder erspüre ich, was ich selbst brauche. Dazu gehören gelegentlich seltsame Blicke von Anderen, aber eben auch interessante Gespräche. Was mich am meisten beeindruckt und rührt, ist die Großzügigkeit, die wir Deutschen uns angewöhnt haben. In meiner Generation durfte man als Kind nicht auf dem Rasen spielen und was die Nachbarn sagten, war das Amen in der Kirche. Jetzt sieht man mich barfuß in Restaurants, im Flugzeug, im Zug, auf der Straße, in Museen und Konzerten und niemand sagt etwas. Ich finde das toll!


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Barfuß im Englischen Garten

Beim Barfußgehen werden unsere Füße wieder wach. Unser Energiefeld das oben gut funktioniert (Augen, Ohren, Nase, Hände) wird auch unten wieder aktiviert. Wir inspirieren unseren Körper wieder überall zu spüren. Der Körper im harmonischen Ganzen und nicht abgetrennt in eine obere und eine untere Hälfte. Wir haben fast verlernt, wie es sich anfühlt, frei an den Füssen zu sein. Stellt Euch vor, wir würden immer zu enge Handschuhe tragen und dann könnten wir sie ausziehen… unsere Hände würden es uns danken und unsere Füße tun das eben auch.
Bei vier, sogar drei Grad fühlen sich meine Füße noch sehr wohl. Eine halbe Stunde barfuß ist noch angenehm. Mein Kopf sagte am Anfang häufig: „Willst du wirklich jetzt barfuß rausgehen. Das ist doch fürchterlich kalt!“ Und meine Füße sagen nach den ersten Schritten nach draußen: „Was willst du denn? Das ist doch herrlich!“ Ich habe keine Erkältung und keine Blasenentzündung gekriegt (auf die meine Mutter schon seit Monaten wartet. Blasenentzündungen haben etwas mit Bakterien und nichts mit kalten Füssen zu tun. Das war das Märchen dass uns erzählt worden ist, damit wir Schuhe anziehen.) Natürlich höre ich auf meine Füße. Wenn sie sich unwohl fühlen und es ihnen zu kalt wird, dann ziehe ich Minimal-Schuhe oder Barfußschuhe an. Lange auf Steinfußböden rumstehen macht nicht wirklich Spaß. Es geht nicht darum, dass wir stur werden – und auch das gibt es bei den Leuten die barfuß gehen. Ich habe nicht umsonst „BodyBlessing – der liebevolle Weg zum eigenen Körper“ geschrieben, um ihn dann zu ignorieren.
Barfuß gehen ist eine Möglichkeit. Eine, die zwar auch etwas Mut erfordert, aber in erster Linie Spaß macht. Ich habe mir Barfußschuhe für den Winter besorgt, die eine dünne bewegliche Sohle haben, aber eben auch warmhalten.
Ich bin gespannt, wie es weitergeht.
Herzlichst,
Sabrina

Zusammenfassend: Was bringt Barfuß gehen?

  • Einmal ein Gefühl von Freiheit.
  • Dann das „Aufwecken“ der Füße.
  • Die Beweglichkeit der Füße wird wieder hergestellt
  • Das aufmerksame Erspüren des unteren Körperbereichs
  • Füße werden durch das Barfuß gehen massiert und Akkupressurpunkte werden angeregt.
  • Körperhaltung wird natürlicher
  • Durch den Ballengang (nicht mit der Ferse aufkommen) werden Knie, Hüften und Wirbelsäule entlastet
  • Zusätzlich ist es spannend was da in der Innerwelt und der Außenwelt passiert

Video 1. Teil: Hier spreche ich über das Barfuß gehen.
http://piece-by-peace.de/interviews/sabrina-fox/

Links zu Barfuss-Schuhen, die ich manchmal benutze.
http://xeroshoes.co.uk/
http://www.leguano.eu/
http://www.vivobarefoot.com/eu/womens/karma-ladies

barfuss-kinder

Barfuss  mit anderen Kinderfüßen

Es beginnt mit einem Vergleich. Ja, ich weiß, angeblich sollen spirituelle Leute nicht vergleichen. Aber wir tun es. Alle. Das ist unter anderem die Aufgabe unseres Gehirns. Der Grund? Wir versuchen herauszufinden, ob wir sicher sind. Dazu vergleicht der Verstand uns und unser Leben mit Anderen. Immer und immer wieder. Was wir mit diesem Vergleich anstellen, hängt von dem Grad unserer Bereitschaft nach Wachstum ab. Wollen wir wachsen, werden wir von anderen inspiriert. Trauen wir uns nicht zu, uns zu verändern, werden wir eifersüchtig.

Sind wir Schauspieler in unserem eigenen Leben?

Ich möchte Ihnen dazu gerne ein paar Beispiele geben. Als ich mich vor fünfundzwanzig Jahren für mein spirituelles Wachstum interessierte, traf ich eine Frau, die mir durch ihre Präsenz auffiel. Jaqueline Snyder – mittlerweile verstorben – hatte all das, was ich nicht hatte: Sie war eine zutiefst strahlende Persönlichkeit. Sie war warmherzig, weise, authentisch. Sie hatte eine tiefe, ehrliche Spiritualität und sie war eine großartige Lehrerin: Inspirierend. Humorvoll. Weise. Damals war ich unsicher in meinem Leben, ängstlich darauf bedacht es allen Recht zu machen. Ich war eine Schauspielerin in meinem eigenen Leben, festgefahren in alten Gewohnheiten und Ängsten. Ich dachte, so bin ich eben.
Im Vergleich mit Jaqueline sah ich was mir fehlte. Ich wollte auch so werden. Ich wusste, das ist ein weiter Weg. Sie erzählte uns, wie sie früher war und so erkannte ich an ihr, dass Veränderungen – massive Veränderungen – möglich sind. Ich wusste, das ist ein weiter Weg, aber jetzt hatte ich ein Ziel.

Ich war schon vieles. Ich war lange ein Trampel. Ich stolperte, haute mich an, schlurfte. Jahre später sagte mir eine Frau begeistert, dass sie es toll findet, dass ich mich so elegant bewege. Ich erinnere mich noch, wie verwirrt ich von diesem Ausspruch war. Ich und elegant? Beides in einem Satz hatte ich vorher über mich noch nie gehört. War ich elegant geworden und ich hatte es nicht gemerkt? Als ich mich beobachtete, bemerkte ich, dass ich kein Trampel mehr war. Offensichtlich hatte sich da an mir einiges verändert. Zum Beispiel auch mein Gewicht.

Ich war als junge Frau übergewichtig und frustriert darüber. Meine bevorzugte Position war Chips essend auf dem Sofa. Ich wusste natürlich dass Sport gut für mich wäre, aber ich war zu unmotiviert. Immer nach dem Motto: Jetzt ist es auch schon egal. Ich weiß noch wie frustrierend es war, Kleidung einzukaufen. Badeanzüge waren das Schlimmste! Selten sah etwas wirklich gut an mir aus. Immer wieder war in den Tränen nahe in irgendwelchen Umkleidekabinen. Ich heiratete einen Mann der täglich Sport machte. Durch ihn erkannte ich wie gut mir Bewegung tat. Wieder war es ein Vergleich, der mir half zu erkennen, was ich brauchte. Jahre später tauchte in einer meiner Meditationen eine kleine dicke Frau mit Koffern auf: „Ich verlasse dich jetzt!“, sagte sie und drehte sich um. Mein Glaube, dass ich „eigentlich“ eine dicke Frau bin – die jetzt nur kurzfristig schlank war – verließ mich mit ihr.

Singen und Inspiration

rihannonInspiriert zu werden, hört nicht auf. Singen gehört zu meinem Leben und ich bilde mich immer weiter. Im Oktober war ich mit Rhiannon – einer begnadeten Improvisations-Sängerin und Lehrerin in Rom zu einem langen Workshop. Improvisierte Musik ist Musik, die aus dem Moment entsteht. Eine Farbpalette von Musik, die sich nur dann wirklich gut entwickeln kann, wenn wir tief mit uns und gleichzeitig mit unseren Mitsängern verbunden sind. Das ist Musik, die mich fasziniert und in ihrem spontan entstehenden Miteinander eine grandiose Vielseitigkeit zeigt. Jeder von den Teilnehmern hatte gerade ein vier Minuten Solo vor der Gruppe hinter sich. Jetzt stand unsere Lehrerin Rhiannon auf. Sie ist fast siebzig Jahre alt. Weiße, kurze Haare. Stabiler Körperbau. Bewusste, sorgfältige Bewegungen. Sie weiß, wer sie ist.

Sie begann ihr Solo und mit jedem Ton berührte sie uns. Sie bewegte sich, benutzte den ganzen Raum. Sprach Worte, die sie in diesem Moment erfand und von dem jedes pure Poesie war. Sie war präsent, offen, verletzlich. Ich war fasziniert dieser Meisterin beim Erschaffen zuschauen zu dürfen. Mein Solo war im Vergleich zu ihrem wie die kritzelige Zeichnung einer Fünfjährigen zu der Brillanz eines Picassos. Als sie fertig war, waren wir vor Ergriffenheit lange still.

Viele von uns hatten Tränen in den Augen. Jemand zu erleben, der ein Meister auf seinem Gebiet ist, ist eine große Gnade. Es ist einer dieser Moment das Göttliche in Menschenform zu sehen. Und das war es, was ich miterleben durfte. Mir war es ein Bedürfnis ihr zu sagen, wie dankbar ich dafür bin das zu erleben. Ich stand auf, kaum in der Lage zu sprechen, mit Tränen die ungehindert an meinem Gesicht herunterliefen. Wir schauten uns still an. „I bow in the presence of mastery“. Was übersetzt so etwas heißt wie: Ich verbeuge mich vor Dir im Angesicht deiner Meisterschaft. Ich legte meine Hände auf mein Herz, neigte meinen Kopf und verbeugte mich tief und lange vor ihr.

Unsere Session war vorbei, doch kaum jemand von uns bewegte sich. Wir blieben gedankenverloren in unseren Sitzen. Jeder von uns bewegt und voller Respekt. Rhiannon kam nicht zu diesem Punkt ihrer Meisterschaft, weil sie darum betete. Sie kam dazu, weil sie ihrer Begeisterung folgte und trainierte. Weil sie sich über Mauern und durch Täler schleppte, bis sie fliegen konnte. Warum will ich von ihr lernen? Weil sie großartig ist. Und ich möchte von den Besten lernen. Von denen, die das gemacht haben, was ich noch machen will. Ich wünsche mir von Herzen so zu improvisieren. Dazu braucht es Übung. Immer und immer wieder Meister dieses Fachs zu beobachten und dankbar dafür zu sein, dass sie ihr Wissen teilen. Ich liebe es, wenn mir jemand sagt, was ich verbessern kann. Ich liebe es, wenn mich jemand auf meine Schwächen aufmerksam macht. Deswegen gehe ich zu genau diesen Experten! Wachstum ist die Nummer Eins auf meiner Liste.

Spirituelles Wachstum ist Arbeit

In letzter Zeit bringe ich zu meinen Vorträgen und Workshops immer eine tennisball-große Schachtel mit Schleife mit. Irgendwann einmal nehme ich die Schachtel, zeige sie den Teilnehmern und erzählte, dass hier das Einzige drin ist, was es braucht, damit wir unser Leben so haben, wie wir es uns ersehnen. Ich übertreibe so maßlos dabei („Davon werdet Sie noch Ihren Enkelkindern erzählen, dass Sie es heute hier gehört haben.“), dass der ganze Saal, die ganze Gruppe schallend lacht. Dann mache ich mit großem Tamtam die Schachtel auf und ziehe einen Zettel heraus. Darauf steht nur ein Wort: ARBEIT.

arbeitEine Frau kam am Ende eines Vortrages auf mich zu und meinte völlig irritiert: „Aber Spiritualität soll doch leicht sein! Ich verstehe das nicht. Arbeit klingt ja fürchterlich!
Ich fragte nach: „Ist es denn leicht für Sie Ihre Gedanken sauber zu halten? Ist es leicht für Sie notwendige Veränderungen durchzuziehen? Ist es leicht zu verzeihen? Leicht schwierige Gespräche zu führen? Leicht nicht zu lügen? Ist es leicht täglich zwei Mal zwanzig Minuten zu meditieren?
Sie schüttelte den Kopf und gestand: „Ich meditiere nicht regelmäßig.“ Und meinte dann triumphierend: „Aber ich glaube an Engel!
Ah. Und? Hat der Glaube allein ihr Leben verbessert?
Sie runzelte die Stirn. Ich ahnte, was in ihr passierte. Das ist der Moment, der Moment, den ich schon hunderte von Malen beobachtet hatte. Der Moment der entscheidet: Lass ich mich auf die Arbeit ein oder versinke ich in imaginäres Wünschen?

Immer wieder beobachte ich diese Weggabelung. Setzte ich mich dafür ein, dass ich mich verändere oder suche ich in der Spiritualität eigentlich nur Trost? Trost ist etwas Wunderbares. Aber es wird unser Leben nicht verändern und es wird uns nicht weiterbringen.
Ich kann mich jahrelang trösten lassen. Aber wenn ich nicht die Verantwortung für mein Leben übernehme, wird es nicht besser werden. Wir sind in der Lage uns und unser Leben zu verändern. Jeder von uns. DAS ist spirituelles Wachstum. Trost ist eine temporäre Angelegenheit. Doch wenn dies unser Lebensmotto wird, dann schlagen wir uns regelmäßig in diesem Phantasie-Wunschtraum nach einem besseren Leben den Kopf ein.

Immer wieder überprüfe ich meinen Lebenszustand. Daran erkenne ich mein Wachstum und erkenne auch meine Herausforderungen. Dazu helfen mir Fragen.
Im Laufe der Jahre sind die Fragen andere geworden und doch gibt es Basisfragen, die immer interessant sind:

  • Lebe ich ein Leben in Balance?
  • Wo habe ich noch nicht aufgeräumt?
  • Wo merke ich, dass ich immer noch hoffe, „die Anderen“ würden sich verändern?
  • Wo hänge ich fest?
  • Wo brauche ich Hilfe?
  • Wo den berühmten „Tritt in den Hintern“?
  • Was habe ich auf den richtigen Weg gebracht?
  • Von wem oder was möchte ich mich inspirieren lassen?
  • Was braucht mehr Zeit in meinem Leben?
  • Was weniger?

Wir haben die Macht uns und damit unser Leben zu verändern. Wir stehen an jedem Tag an der Schwelle zu einem neuen Leben. Wie wollen wir es leben?

Es ist möglich intelligenter, weiser, mutiger und sogar eleganter zu werden.

Ich habe es erlebt.

Ein Jahr kann lang sein. Wirklich lang. Ich habe euch auf eine Reise mitgenommen. Meine Reise. Meine Wechseljahr-Reise. Eigentlich habe ich euch nur zur letzten Etappe eingeladen. Die Wechseljahr-Reise ging schon vor einigen Jahren los, doch die Fahrt wurde erst gegen Ende richtig holprig.

In dem letzten Jahr habe ich drei Artikel zu meiner Wechseljahr-Reise geschrieben und viele berührende Emails dazu erhalten. Und immer wieder war der Tenor darin folgender: Es hilft zu wissen, dass wir das nicht alleine erleben und das beruhigt.

Ich habe euch am Anfang letzten Jahres von dem Gefühl geschrieben, als ob man abwartend in einem Zug sitzt, der nicht abfährt. Ich habe im Sommer geschrieben, was eine berufliche Auszeit für Herausforderungen hat. Und zum Jahreswechsel habe ich darüber geschrieben, wie trotz meiner zwei Jahrzehnte langen Erfahrung in Meditation und Stille, mit dem Körper sprechen und Engelkontakt eine Handvoll von Hormonen, die in meinem Körper nicht mehr vorhanden waren, mich verändert hatten.

Ich hatte meine Flügel verloren. Und mit ihnen meine Lebensfreude, meine Kraft und auch die Lust am Leben. Ich fühlte mich – jetzt wo ich alles wieder habe – wie ein Schmetterling, der wieder zur Raupe wurde. Die Flügel, die mich ausgebreitet trugen, wurden schwächer und waren irgendwann so nahe an meinem Körper angelegt, dass sie wie verschwunden waren. Ich hatte mich zurückgezogen.

Ich kenne diesen Vorgang schon. Es gab ihn ein paar Mal in meinem Leben. Doch noch nie so lange. Noch nie so unerbittlich. Noch nie so anstrengend.

Oft erfährt man beim Lesen spiritueller Literatur nur von den erwünschten Ergebnissen; aber nicht immer von dem Weg dorthin. Das lässt sich ein bisschen mit einer Gipfelbesteigung vergleichen. Den Blick über die Berge gibt es auch nicht umsonst. Er wird mit Training und einem langem Atem verknüpft. Bergsteiger müssen „in Form“ bleiben, trainiert sein. Sie müssen den äußeren Umständen (Zeitmanagement, Stürme, Lawinengefahr) und den inneren (Kraftreserven, Konzentration, Intuition) aufmerksam sein.
Natürlich gibt es auch einige, die gemütlich mit einer Gondelbahn nach oben fahren. Doch ihr „Ankommen“ ist ein anderes. Ihre Erinnerung an diesen Weitblick ist kurz, der er ist mit keinen tieferen Erlebnissen verbunden. Und so vergessen sie ihn schnell wieder, ganz im Gegenteil zu denjenigen, die sich diesen Weitblick mit ganzen Herzen erarbeitet haben. Sie spüren die Weite in ihrem ganzen Körper und sie sind stolz auf sich, denn sie haben etwas erreicht, was nicht mit einer zehnminütigen Gondelfahrt zu 4 Euro fünfzig machbar war.

Ich habe mich vor 15 Jahren intensiv mit den Wechseljahren beschäftigt. Ich las alles über die „üblichen“ Hormone (kommen gar nicht in Frage), über „bio-identische“ Hormone (kommen in Frage), über Akkupunktur, Sojazusätze etc. pp. Ich wollte mich informieren. Ich bin gerne vorbereitet. Zehn Jahre später begannen meine Wechseljahre. Ich hatte mir in weiser Voraussicht einen Arzt ausgesucht, der Experte in bio-identischen Hormonen war und ein tiefes spirituelles Verständnis hat. Im Verhältnis zu den Wechseljahren meiner Freundinnen schienen meine weniger anstrengend zu sein. Tägliche Meditationen, die Möglichkeit mit meinem Körper zu reden (BodyBlessing) und in jeder Herausforderung einen Lernprozess zu sehen, halfen mir dabei. Ich fühlte mich wohl. Noch.

Meine Frage, die ich während der Wechseljahre immer wieder im Hinterkopf behielt, war die gleiche Frage, die ein Bergsteiger im Hinterkopf behielt: Ist dieser Schritt richtig für mich? Bringt es mich meinem Ziel näher?

Mein Ziel war diese Wechseljahre mit Eleganz (ein passendes Wort hierfür finde ich) und Bewusstsein zu füllen. Die ersten Jahre war das auch so und ich nahm an, dass das so bleiben würde. Ich fühlte keine Notwendigkeit bio-identische Hormone zuzufügen, denn meinem Körper und mir ging es gut. Vor Jahren hörte ich mal, dass nach den Wechseljahren eine wundervolle Zeit anbricht: Ein Zustand von Freiheit und Leichtigkeit; ein ähnliches Gefühl, dass wir es vor unserer Pubertät hatten. Ich freute mich darauf. So ein paar Hitzewallungen werden mich nicht davon abhalten. Mich nicht!

Mein Schlaf war oft unterbrochen, aber ich machte kein gedankliches Drama daraus. Dann arbeitete ich eben um drei Uhr morgens statt mich im Bett hin und her zu wälzen. Unter meiner Daunen-Bettdecke hatte ich ein dünnes Lacken, dass ich alleine oder mit Bettdecke benützen konnte, je nach dem wie heiß oder kalt mir war. Daneben lagen zwei, drei T-Shirts, die ich wechselte, wenn mein Nachthemd durchgeschwitzt war. Meditationen waren meistens so tief, wie ich es gewohnt war. Die gelegentlichen Ausfälle nahm ich mit einer großzügigen Gelassenheit mir selbst gegenüber zur Kenntnis. Alles in allem hatte ich das Gefühl, dass ich die Wechseljahre „gut im Griff“ hatte.

Und dann kam das Loch

Es dauerte fast ein Jahr und war am Ende so tief, dass von meiner großzügigen Gelassenheit mir gegenüber nichts mehr übrig war. Genaugenommen war von mir überhaupt nichts mehr übrig. Ich erkannte mich nicht wieder.

Außerdem verletzte ich mich häufig. Ich nahm an, ich müsste mich noch mehr zurückziehen. Noch langsamer machen. Noch stiller sein. Doch ich hatte mich schon so zurückgezogen, wie weit sollte ich den noch gehen?

Es fühlte sich an … wie sterben. Ja, das war es, so wurde mir schlagartig klar: Ich übte das Sterben. Der Rückzug, die Verletzungen, das Desinteresse am Leben … Das war es, was Frauen früher vielleicht immer fühlten, wenn die Wechseljahre kamen: Man nahm Abschied und das Leben neigte sich dem Ende zu.
Meines auch?

Ich suchte meine Therapeutin auf, um mir den gelegentlich wichtigen „Blick von außen“ zu holen. Ich weiß, dass ich für meine Entwicklung etwas tun muss und muss dazu – wie ein Bergsteiger – eine vollständige Ausrüstung haben. Und das sind nicht nur meine Engel, die mich in meinen Meditationen beraten, sondern auch Menschen, die mir zur Seite stehen: Freunde, Seelengefährten, Experten, Therapeuten, Heilpraktiker, Ärzte.

Gleichzeitig hörte ich in einer Meditation den wichtigen Satz meiner Engel: „Lass dein Blut untersuchen.“ Das tat ich auch. Gemeinsam mit meinem Arzt traf ich die Entscheidung meine völlig leeren Hormondepots mit bio-identischen Hormonen aufzufüllen. Kurzfristig kam noch mal mein ursprünglicher Wunsch hoch, doch einfach abzuwarten bis sich meine Lebenslust wieder einstellt. Sie WIRD irgendwann einmal wieder kommen. Das weiß ich bestimmt. Doch will ich so lange warten? Vielleicht noch ein, zwei Jahre in diesem Zustand bleiben?

Die Generation meiner Mutter hatte sich über die Wechseljahre kaum Gedanken gemacht. Es gab ja auch keine Alternativen. Man bekam sie. Dann gingen sie vorbei und dann wurde man alt. Irgendwann einmal kam auch bei ihnen die Lebenslust wieder zurück. Doch das dauerte. Aber erinnern wir uns: Es gab keine Alternativen. Das waren die Wechseljahre. Punkt. Schluss. Basta.

Heute sind wir eine andere Generation Frauen. Wir erwarten von uns selbst – dazu haben wir uns entwickelt – dass wir auch nach unseren Wechseljahren und unserer aktiven Zeit der möglichen Kinderzeugung – nicht verschrumpelt werden und bald danach sterben. Wir erwarten eine bestimmte Attraktivität. Wir erwarten Lebenslust und Lebensfreude. Wir erwarten noch große Aufgaben, spannende Berufswechsel, interessante Reisen. Wir freuen uns zwar auf die Enkelkinder, aber sie werden nicht unser Lebensinhalt sein.

Wir erleben jetzt einen Quantensprung in weiblicher Entwicklung. Unsere DNA-Strukturen verändern sich mit uns. Wir Frauen, die jetzt in den Wechseljahren sind, werden durch unser Erleben der zukünftigen, noch ungeborenen Generation von Frauen ein Leitbild mitgeben. Die Generation meiner Mutter war mit fünfzig Jahren relativ alt. Wir sind das nicht mehr. Wir fühlen uns jünger und aktiver. Doch unser Hormonhaushalt hat sich dem noch nicht angepasst. Was wollen, was können wir also tun? Wir können uns der damaligen einzigen Variante hingeben: „Das ist von der Natur so festgelegt und das stehe ich durch.“

Ich habe mir vor Jahren abgewöhnt stur an Glaubenssätzen festzuhalten. Ich habe zwar ein „Vorstellung“, eine „Idee“ wie etwas sein könnte und dann lasse ich alles andere zu. Das Ergebnis allerdings ist für mich ein hohes Ziel: Es muss meiner Entwicklung nützen. Ich muss mich letztendlich mit diesem Zustand wohlfühlen. Er muss zu mir und meinem Leben passen.

Das erinnert mich auch an eine Geburt. Die können wir „natürlich“ durchleben, müssen es aber nicht. Wir können unsere Kinder in der Badewanne gebären (früher nicht möglich) oder uns Schmerzmittel erlauben. Wir können uns in ein Krankenhaus legen oder in unseren Privaträumen unser Kind zur Welt bringen. Wir können das Erlebnis mit dem Vater des Kindes teilen – wenn er es denn möchte – müssen es aber nicht. Manche Frauen wählen einen Kaiserschnitt aus Gründen, die für sie wichtig sind. Auch danach gibt es Wahlmöglichkeiten: Stille ich, oder nicht? Schläft das Kind bei mir im Bett, oder nicht? Nehme ich es überall hin mit, oder nicht? Und die größte von allen: Will ich überhaupt ein Kind?

Jetzt

Wie fühlen Sie sich jetzt, gerade JETZT, als Sie die Aufzählung der Wahlmöglichkeiten gelesen haben? Gab es da die eine oder andere, bei der Sie missbilligenden den Kopf geschüttelt haben?
Wahrscheinlich.

Es ist gar nicht so einfach, jedem von uns seine Wahlmöglichkeiten zuzugestehen. Manchmal hängen wir fest an der Idee, dass es nur „eine“ richtige Möglichkeit gibt. Gerade im Spirituellen ist das nicht selten verbreitet: Die „richtige“ Art zu Meditieren. Die „richtige“ Art zu Essen. Die „richtige“ Art zu Lieben. Und doch ist jedem von uns erlaubt, die Wahl zu treffen, die für ihn zu diesem Zeitpunkt richtig ist. Es gibt auch Wahlmöglichkeiten, die wir uns manchmal nicht gönnen, weil wir glauben, dass es vielleicht den Anderen nicht gefällt oder wir die Bedürfnisse unserer Mitmenschen höher ansetzten, als unsere eigenen Bedürfnisse. Ein Thema, das in meinem Leben immer wieder vorkommt.

Diese großen Lebensthemen, die jeder von uns hat, mit denen wir hier in dieses Leben gekommen sind, um sie zu verstehen und zu heilen, diese Lebensthemen zeigen sich in den Wechseljahren, wie Stau auf der Autobahn: Hier kommst du nicht vorbei, außer der Grund des Staus löst sich auf.

Als sich meine Hormondepots wieder zu füllen begannen, spürte ich mich wieder. Meine Flügel lösten sich von der Verpuppung, füllten sich mit Lebenskraft und fingen an, sich wieder zu bewegen. Ich sah die Welt wieder so, wie ich es von mir gewohnt war: Ein aufregender Ort mit interessanten Menschen. Die Lust an meinen Projekten kehrte wieder zurück. Die Lust am Lehren, am Mitteilen, am Austausch. Ich fing an für kleine Gruppen einen Kurs zu planen. Und ich fing an wie rasend aufzuschreiben, was mir passierte. Ein Buch über diese Wechseljahr-Zeit entstand in einer Geschwindigkeit, wie ich es von früher gewohnt war.

Kurzfristig überlegte ich mir die Hormone wieder abzusetzen. Jetzt geht es mir doch schon besser. Vielleicht halte ich das doch noch aus? In meiner Meditation stellten mir meine Engel zu dieser Frage eine einzige Gegenfrage: „Wozu?“

Ja, wozu? Um zu „beweisen“, dass es auch ohne Hilfe geht? Es wäre so schön gewesen, wenn man nur durch Meditation und guten Wünschen durch die Wechseljahre segeln würde. Ich musste innerlich lachen. Ja, es wäre schön gewesen, war es aber nicht. Und in meinem Leben, in meinem spirituellen Leben, habe ich mir eines angewöhnt: Ich lege mich nicht mit der Realität an. Mein Körper sagte mir, dass er sich jetzt wohl fühlt. Ich fühlte mich wohl. Warum sollte ich das abbrechen?

Eine Frau, die viel reist und gerne unterwegs ist, braucht in ihrer Nähe einen Bahnhof und einen Flughafen. Sie kann natürlich auch im hintersten Flecken der Erde leben und dann drei Tage zu Fuß oder mit dem Rad brauchen, bis sie zu einem schnelleren Transportmittel kommt, aber nützen wird das ihrem Leben nicht. Es macht es schwieriger. Und so sehe ich das auch: Macht es mein Leben leichter oder macht es mein Leben schwieriger? Eine einfache Frage mit einer immensen Wirkung.

Durch Gespräch mit Freunden erinnerte ich mich wieder daran, was ich über mein Energiefeld wusste: Ich verletzte mich deswegen so oft, weil es neuerdings unregelmäßig und unbeständig war. Ich war nicht eins mit mir. Einige meiner Lebensumstände mussten überprüft und neu geordnet werden. Der inneren Lösung der Hausaufgabe folgten äußere Veränderungen. Es war nicht „mehr“ Stille, die von mir gefordert wurde, sondern ein Vorbereiten, ein Losfliegen. Ich war auch deswegen unruhig, weil ich meine Flügel nicht benutzte.

Jeden Morgen wache ich wieder so auf wie ich es gewohnt war: Dankbar für mein Leben und neugierig auf den Tag. Ich genieße meinen mir so vertrauten Schwung und meine Lebensfreude. Ich erkenne mich wieder … denn ich hatte mich vermisst.

Was ist eigentlich ein Wunsch? Ein Wunsch folgt einer Sehnsucht. Etwas in uns regt sich und wünscht sich etwas – etwas anderes, als das, was wir im Moment erleben. In schwereren, herausfordernden Zeiten fühlte es sich manchmal so an, als hätten wir den Garten verlassen, um in den Keller zu gehen und aufzuräumen und wir wünschen uns nichts mehr, als wieder fröhlich, glücklich und zufrieden zu sein.

Natürlich wissen wir, dass aufräumen wichtig ist – schließlich hatten wir es schon oft genug getan und werden es auch weiter tun – und doch sehnen wir uns nach unserem Garten zurück.

Ein Wunsch ist immer nur ein Anfang. Er ist eigentlich nur das Fokussieren auf ein Ziel. So ein Wunsch, so ein Ziel gestaltet sich. Wie ein Rosenbusch wird er gepflegt und getrimmt. Man erkennt erst im Wachsen was genau man sich eigentlich wünscht. Aus einer ersten Sehnsucht entsteht ein Wunsch und wenn wir diesen Wunsch genauer betrachten (warum wir ihn haben und was wir damit zu erreichen hoffen) dann fokussieren wir uns und schärfen unseren Blick. Der nächste Schritt ist dann unsere Energien in die Richtung zu bündeln, die wir einschlagen wollen.

Der alternative Nobelpreisträger und brillante Wissenschaftlicher Prof. Dr. Peter Dürr erklärt, dass Energie der Aufmerksamkeit folgt. Und das hat sich immer wieder gezeigt. Nicht nur bei physikalischen Experimenten, sondern auch in unserem Leben.

Aber da gibt es auch noch den Zeitfaktor, den wir gerne unterschätzen. Nicht nur ein Marathon braucht Zeit. Zehn, zwanzig, fünfzig Kilometer lassen sich nicht in ein paar Minuten zu Fuß überwinden.

Es ist nicht immer einfach dem eigenen Seelenweg zu vertrauen. Ich vertraue mittlerweile meinem. Er hat sich für mich als wahr herausgestellt. Er wurde immer und immer wieder überprüft. Ich weiß, dass nur dann etwas passiert, wenn es im Einklang mit meinem Seelenweg steht. Meine Persönlichkeit mag sich etwas vornehmen, sich etwas wünschen, aber es tritt nicht ein, weil meine Seele – ich als Seele – einen passenderen Plan habe. Es gibt immer einen Grund für ein Stocken.

Wir sind hier – in diesem Körper und in diesem Leben – weil wir etwas erfahren wollen. Unsere Seele hat diesen Körper und diese Umstände gestaltet, damit sie erfahren kann, wie es ist, Gott in Menschenform zu sein.

Was ist Gott in Menschenform?
Gott ist Schöpfung. Und wir sind das auch. Wir erschaffen und kreieren jeden Tag unser Leben neu: Wie wir uns verhalten. Für was wir uns entscheiden. Für was wir uns nicht entscheiden. Worüber wir reden. Was wir denken. Mit was wir uns beschäftigen. Welche Stimmungen wir kreieren. Welche Wärme oder welche Kälte wir vermitteln. Mit wem wir uns abgeben. Wie wir diese Zeit in diesem Körper auf dieser Erde verbringen.

Wir sind ein Teil Gottes wie die Sonnenstrahlen ein Teil der Sonne sind. Auch sie sind von der Sonne, wie wir von Gott sind. Damit wir dieses Abenteuer hier in unseren Körpern und auf unserem Planeten intensiv erleben können, hat sich ein Vorhang des Vergessens über uns gelegt und es ist unsere Aufgabe, diesen Vorhang zu lichten. Wie wir uns für eine Reise mit der passenden Kleidung eindecken, so haben wir uns hier mit der passenden Persönlichkeit eingedeckt. In unserer gesellschaftlichen Struktur haben wir uns angewöhnt den Intellekt als höchstes Gut zu sehen und so ist es für unsere Persönlichkeit einfach, dem Verstand die höchste Kompetenz zuzuschreiben. Doch unsere Seele ist der Schöpfer und der Verstand muss in die zweite Reihe. Dort wo er hingehört. Das macht er natürlich nicht ohne dementsprechendes Geschrei.

Es ist nicht immer einfach in die Stille zu gehen und sich selbst zu hören. Wir sind konditioniert anderen zuzuhören. Von Kindesbeinen an haben wir unserer Umgebung zugehört, sie beobachtet und von ihr gelernt. Sich wieder ganz auf sich selbst zu fokussieren erfordert eine Kehrtwendung. Eine Kehrtwendung nach Innen.
Stille. Dunkelheit. Einsamkeit – all das wird häufig mit Angst assoziiert. Wir sind alleine! Niemand ist für uns da! Oh Gott wie furchtbar! Ich empfinde das anders: Oh Gott, wie wunderbar.

In der Dunkelheit, in der Stille, in der Einsamkeit finden wir uns selbst. Und das ist ein Tunnel durch den wir gehen müssen. Ohne diesen Tunnel erreichen wir das Ziel nicht. Da können wir noch so viele Ohms singen und noch so viele Seminare buchen.
Es ist unser eigener Weg und er wird alleine gegangen.

Manchmal kennen wir uns zu wenig, um uns selbst zu vertrauen. Meistens liegt es daran, dass wir eben nicht genug Zeit alleine verbracht haben. Wir haben uns nicht wirklich um uns und unsere Bedürfnisse gekümmert. Und ich rede hier nicht von Egomanie. Ich rede von einem Verständnis für sich selbst – welches das Verständnis für andere nicht ausschließt. Nur wenn wir uns selbst lieben und achten sind wir in der Lage es auch bei anderen zu tun. Das, was wir suchen, ist tief in uns: Der göttliche Funken. Die Schöpferkraft. Und die kann man nur alleine entdecken. Wirklich und völlig alleine.
Dazu braucht es Zeit.

Das kann man sich nicht wünschen.
Das muss man üben.

 

Sabrina Fox schreibt...

Schreiben hilft, sagt man.
Oder sage ich. Oft genug habe ich das gesagt. Und es hat immer geholfen. Wenn man schreibt, dann löst sich das, was stockt, was an einem klebt und manchmal so zäh und hartnäckig wie Kaugummi ist.

Mit den Engeln kommunizieren hilft. Sagt man. Oder sage ich. Oft genug habe ich das gesagt. Und es hilft auch. Aber manchmal sind unsere Engel still. Das ist die Zeit, in der wir das, was wir gelernt haben, auch umsetzten müssen.

Beten hilft, sagt man.
Oder sage ich. Oft genug habe ich das gesagt. Und es hat oft geholfen. Doch manchmal ist ein Gebet keine Danksagung. Manchmal bewegt sich das Gebet auf einer Welle der Frustration.

Ich hatte mich mit einem alten Freund zum Mittagessen verabredet. Wir sehen uns nicht oft. Vielleicht einmal im Jahr. Obwohl wir in der gleichen Stadt wohnen und seit über dreißig Jahren unser Leben begleiten. Ich war am Anfang unseres Kennenlernens mal sehr verliebt in ihn und er in mich. Ganz kurz eigentlich. Vielleicht ein paar Monate. Und doch ist diese Fürsorge geblieben. Wir erzählten uns von unserem Leben so, wie wir es immer tun: Offen. Warmherzig. Ehrlich.

Ich weinte ein paar Mal, obwohl es „eigentlich“ nichts zu weinen gibt. Ich bin frustriert mit mir, erzähle ich ihm. „Ich bekomme schon seit über einem Jahr nichts mehr wirklich hin. Mein Roman klemmt. Die Produktion einer meiner Skulpturen kommt nicht voran. Eine Dokumentation, die ich gedreht habe, kommt über die ersten fünf Minuten Schnitt nicht hinaus. Ich erkenne mich kaum wieder. Die alte Sabrina hätte das alles schon längst erledigt.“

Er schaut mich nachdenklich an und meinte dann: „Die alte Sabrina gibt es nicht mehr. Jetzt gibt es die neue. Und die macht es anders.“

Die neue Sabrina.
Will ich sie? Gefällt sie mir?

Nein. Sie gefällt mir nicht.

Mein Körper und ich, wir sind gut befreundet. Er spricht mit mir und ich höre ihm zu. Meistens. Seit ein paar Wochen verletze ich mich. Linker Mittelfinger schmerzt. Rechter Daumen beim Schnitzen überanstrengt. Sehnenscheide am linken Knöchel gereizt. Jetzt bin ich die Treppe heruntergefallen, gerade als ich mir nach der Meditation ein energisches: „Jetzt ist es genug! Reiss dich zusammen!“ verordnet hatte. Die Sehne am rechten Sprunggelenk ist angerissen. Ich lachte auf, als mir klar wurde, dass nun sämtliche Gliedmaßen verletzt waren. „Danke, dass sie nur angerissen sind“, sagte ich meinem Körper. Ich bin sicher, er hofft, dass ich seine Nachricht endlich kapiert habe: „Mache langsam! Höre auf, dir selbst Druck zu machen!“

Und er schickte mir das dringende Gefühl, dass ich mein Blut untersuchen lassen sollte. Ich spürte, mir fehlt etwas. Ich habe meine Lebenslust verloren und das schon seit einer Weile. Mein Körper schickt mich in die Ruhe, doch mein Geist rebelliert. Ich kenne Lebensschwankungen. Das Rauf und das Runter. Seitdem ich meditiere – seit über zwanzig Jahren – gehe ich damit viel bewusster um. Und doch erspüre ich, dass mein Gemütszustand schwerer wird.

Barfuß gehen hilft, sagt man.

Barfuss gehen

Oder sage ich. Oft genug habe ich das gesagt. Ich ziehe meine Schuhe aus und spüre die Sanftheit und Kraft von Mutter Erde. Es gibt Zeiten in denen ich den Schmerz der Welt besonders stark spüre. Syrien. Flüchtlinge. Fukushima. Ozeanverseuchung. Die Gier der Finanzwelt. Tierfabriken.

Das Wissen, das dies von uns verändert wird, hat sich in den Hintergrund gedrängt und der Schmerz darüber hat überhand genommen. Ich fühlte mich hilflos. Schlapp. Das was ich tue, erscheint mir viel zu wenig. Veränderungen dauern. Das weiß ich natürlich. Ein Kind braucht neun Monate im Mutterleib. Haare wachsen pro Monat einen Zentimeter. Da nehme ich es hin. Und doch geht mir vieles nicht schnell genug. Aufmerksam beobachte ich die Frustration. Die Schwere. Den Schmerz. Ab und zu versinke ich darin. Dann komme ich wieder nach oben und hole Luft.

Vor Jahren habe ich mir einen Beobachter angewöhnt. Ich, Sabrina, diejenige, die hier eine menschliche Erfahrung macht, hat einen Beobachter. Der aufpasst, damit ich mich nicht in meiner Persönlichkeit verliere, sondern immer in dem Bewusstsein bleibe, auch unendliche Seele zu sein. Dieser Beobachter – ich als Seele – merkt, dass ich mit dem JETZT hadere. Ich akzeptiere es zur Zeit eher grummelig. Auf keinen Fall begeistert. Ist es ein Zeichen spiritueller Weisheit, JEDES Jetzt gänzlich ohne Knurren zu akzeptieren? Wenn ja, dann habe ich sie nicht.

Eigentlich ein perfektes Beispiel zwischen Ego und Seele. Mein Ego, meine Persönlichkeit ist davon genervt. Meine Seele weiß, dass dies ein vorübergehender Zustand ist. Selbst mein Ego weiß mittlerweile, das dies ein vorübergehender Zustand ist. Ich wäre nur schon gerne in dem anderen Zustand: Dem, der danach kommt. Genauer genommen wäre mein Ego, meine Persönlichkeit gerne in dem anderen Zustand. Ich, als unendliche Seele, nehme den Zustand zur Kenntnis und bin einig damit. Mir, als Sabrina, gelingt das nur in wenigen Momenten.

Jeder von uns hat gelegentlich Herausforderungen mit dem JETZT. Manche mehr, manche weniger. Wir machen nun mal eine menschliche Erfahrung und wenn wir sie nicht alle auch wirklich machen würden, wo wäre dann unser Mitgefühl? Wenn wir – die wir uns spirituell beschäftigen – alles immer „richtig“ machen würden, wo wäre denn dann unser offenes Herz?

Meditieren hilft, sagt man.

sabrina-am-lagerfeuer

Oder sage ich. Oft genug habe ich das gesagt. Und doch gibt es Zeiten, in denen ich nicht reinkomme. In der die Stille, die ich so gut kenne und liebe, sich mir verschließt, wie die Tür zu einem Garten. Dann bleibe ich vor der Tür liegen. Lehne mich an sie. Spüre die Stabilität an meinem Rücken. Ich weiß, sie wird wieder aufgehen. Warum ist sie jetzt zu? Jeder der meditiert, regelmäßig meditiert, kennt das. Es ist wie bei Schriftstellern, die auch nicht jeden Tag schreiben können oder Malern, die vor der leeren Leinwand sitzen. Manchmal bewegt sich nichts. Manchmal muss man es aussitzen. Es gibt viele kluge Antworten von vielen weisen Menschen und doch … sie nützen nichts. Die Antworten meine ich. Die Tür zum Garten der Stille, zum Garten der Unendlichkeit bleibt trotzdem einfach zu.

2013 war ein Jahr großer Veränderungen. Sämtliche Freundinnen gingen und gehen durch gravierende Veränderungen. Auch einige meiner männlichen Freude beutelt es ziemlich durch. Mag es daran liegen, dass wir mehr oder weniger alle im Wechseljahr-Alter sind? Sie heißen Wechseljahre nicht ohne Grund: Unsere Familie, unsere Karriere, der Aufbau unseres erwachsenen Lebens hat viel Zeit beansprucht. Wir haben viel erschaffen und jetzt geht beginnt der zweite Teil des Lebens. Der Teil, der auf einen reichen Erfahrungsschatz blicken kann. Der Teil, der vieles schon gemacht hat und deshalb eine Neuausrichtung sucht.

Viele von uns – wie ich auch – sind schon durch. Ich war mit meinen Wechseljahren ganz einig. Ich habe weder bio-identische Hormone genommen, noch besonders unter dieser Zeit gelitten. Ich hatte zwar schlechter geschlafen, aber mir war endlich nicht mehr kalt. Das alleine war schon die ganze Aufregung wert. Ich liebte meine Hitzewallungen.

Und doch bin ich jetzt – nachdem alles vorbei war – in ein hormonelles Loch gefallen. Daneben fehlen mir unter anderem Zink, Magnesium, Vitamin D. Jetzt liege ich jeden Tag für fünf Minuten auf der Sonnenbank, ärztlich verordnet, um meinen Vitamin D Mangel wieder aufzufüllen und schaufle eine Handvoll von Vitaminen und Spurenelemente in mich hinein. Ich spüre, wie ich mich langsam besser fühle. Neben den weiblichen Hormonen ist auch das männliche Testosteron nicht mehr vorhanden. Das Hormon, das uns Schwung gibt. Schwung habe ich keinen mehr.

Das stimmt nicht ganz. Ich habe Stunden-Schwünge. Ab und zu erkenne ich die alte Sabrina wieder. Wenn es etwas zu organisieren gibt; wenn Muttergefühle gefordert sind; wenn Pläne gemacht werden müssen. Da ist sie wieder da. Die, die ich kenne. Die, die mir vertraut ist. Die, auf die ich mich verlassen kann.

Auf die neue Sabrina kann ich mich nicht verlassen. Ich kenne sie kaum. Sie macht Sachen, die ich nie machen würde. Sie produziert zu wenige Resultate; zu wenige Ergebnisse. Geschweige denn eine Zukunftsvision. Die alte Sabrina wusste, wo es lang geht. Sie wusste, wie man Sachen erreichen kann und auch erledigt. Sie hatte Pep. Sie hatte Schwung. Sie hatte Ziele, verdammt noch mal!

Warten hilft, sagt man.
sabrina-im-zug-2012Oder sage ich. „Lieber Gott, gib mir Geduld, aber bitte sofort.“ Ich schmunzele immer, wenn ich das sage oder höre, denn ich fühle mich ertappt. Ja. Das bin ich. Grenzenlos geduldig und grenzenlos ungeduldig. So etwas geht. Nicht gleichzeitig. Aber es geht.

Ein spirituelles Leben enthält den Wunsch GANZ zu sein. Und in diesem Ganzen hat alles seinen Platz. Selbst Hormonschwankungen. Da hilft alles beten nichts. Es schleudert uns genauso durcheinander wie die anderen, die nicht beten, die nicht meditieren. Hier finden wir uns wieder zurückgeworfen auf den Platz von dem wir mal vor Jahren abgesprungen sind: Unserem spirituellen Anfang. Hier müssen wir zugeben – ungern zugeben, manche von uns weigern sich auch es überhaupt zuzugeben – dass auch wir Herausforderungen haben. Ganz profane. Ganz banale. Ganz hormonelle.
Natürlich weiß ich, dass ein wahrhaftiges spirituelles Leben kein flaches Leben ist. Keines ohne Gefühle. Erst vor kurzem traf ich eine Frau, die alles unterdrückte und glaubte spirituell zu sein. Sie ließ einfach nur nichts mehr an sich heran. Sie war wie eine mit Teflon beschichtete Pfanne.

Im Ganzen darf alles sein. Doch das Ganze ist nicht nur hell. Das Ganze, Eins-Sein, also ALLES sein, ist nicht nur angenehmes Wohlbefinden. ALLES ist eben … ALLES. Und damit auch ALLES zugelassen werden kann, ALLES gesehen werden kann, ALLES akzeptiert werden kann, unterdrücken wir es auch nicht. Wir erkennen das Licht und den Schatten. Das Begeisterte, wie das Frustrierte. Das Leben kommt in Wellen. Es ist heiß und manchmal kalt. Es ist bewegt und manchmal ruhig. Es ist voller Visionen und manchmal gänzlich ohne. Und das alles gilt es anzunehmen. Worin liegt also unser Wachstum? Daran, dass wir diesen Zustand zulassen, ohne dass wir mit unseren Stimmungen automatisch und unreflektiert unsere Mitmenschen zumüllen.

„Ich bin gerade nicht in Höchstform. Ich erkenne mich kaum wieder. Bitte verzeih mir meine Stimmungsschwankungen. Ich brauche Unterstützung. Ich danke dir.“

Wir teilen uns mit. Wir erlauben uns Hilfe anzunehmen. Umarmungen. Unterstützung. Nähe. Wärme. Wir müssen nicht mehr perfekt sein. Aber die Idee des Perfektionismus hat uns auch gefallen. Wir haben damit geflirtet oder sind ihm nachgelaufen. War nicht der Wunsch nach Erleuchtung der Wunsch nach Perfektion? Das macht das JETZT nicht einfacher. Wenn wir im Jetzt nicht perfekt sind, wie kann man es dann lieben? So ist es ganz entlastend mal unsere eigenen Ansprüche herunterzuschrauben. Aber auch nicht leicht. Wo ist das Om, wenn man es braucht?

Ich singe zu wenig. Meinem Liebsten ist das schon vor einer Weile aufgefallen. Mein Wohlbefinden ist für ihn an meinem Gesang abzulesen. Singe ich morgens im Bad, später beim Rausgehen in der Eingangshalle unseres alten Mietshauses, singe ich auf dem Fahrrad, dann geht es mir gut.

Singen hilft, sagt man.
Oder sage ich. Singen hat mir auch heute geholfen. Vielleicht gewöhne ich mich ja an die neue Sabrina, wenn ich sie besser kennenlerne. Singen kann sie wenigstens noch.

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Als es mir das erste Mal passierte, befürchtete ich, ich sei arrogant geworden.
Ich war selbst Referentin und hörte jemand anderem auf der Bühne zu. Nach
einer Weile fingen meine Beine an, unruhig zu werden. Immer ein Zeichen,
dass ich weg will. Doch ich blieb sitzen. Ich beobachtete, wie meine
Gedanken wanderten: Zum bevorstehenden Rückflug in die USA, der
Geburtstagsplanung für meine damals noch kleine Tochter. Zwischendrin
versuchte ich mich wieder auf die Referentin zu konzentrieren, doch mein
Körper rutschte unruhig auf meinem Stuhl hin und her. Weder das
Konzentrieren auf meinen Atem, noch die versuchte Meditation halfen mir
weiter. Ich merkte, wie ich wütend wurde. Wütend über das, was ich da
hörte.
Ich werde selten wütend. Und da ich weiß, was man mit Gefühlen macht,
fragte ich die Wut in mir, was sie mir denn sagen will. Sie antwortete prompt:
„Ich kann diesen Schmarrn nicht mehr hören!“
Ja, das war wahr. Was mich störte, war die „Inszenierung“ der Referentin, der
heilige Blick, Phrasen und unwahre Heilsversprechen: „Wenn ihr das und das
macht, dann werdet ihr nie wieder ein Problem haben.“
Gleichzeitig fragte ich mich vorsichtshalber, ob ich arrogant geworden bin?
Ich besprach später die Situation mit meinen Freunden. Eine davon fragte
mich, ob es denn Referenten gäbe, von denen ich begeistert bin. „Natürlich!“
antwortete ich und ratterte deren Namen herunter. „Wenn du arrogant wärst,
dann würde dir keiner der anderen Referenten gefallen. Da gibt es
offensichtlich was an dieser Referentin, das du nicht als aufrichtig
empfindest.“
Über die Jahre merkte ich, dass meine Geduld zwar in vielem wuchs, aber in
einer Sache immer kleinlicher wurde: Mein Radar für authentisches spirituelles
Leben oder hingeschmissene Plattitüden wurde immer schärfer.
Ich war nicht die Einzige. Eine Freundin sprach bei einem Abendessen davon,
dass sie ein spirituelles Detox-Programm braucht. Wir lachten laut auf. Ja, das
gewünschte „Entgiftungsprogramm“ konnten wir nachvollziehen. Viele von
uns waren seit vielen Jahren aktiv in ihrem spirituellen Wachstum tätig. Wir
meditieren jeden Tag. Wir waren aufmerksam, was wir dachten, sagten und
taten. Und – jeder von uns – reagierte mittlerweile allergisch auf spirituelles
„Bla-Bla“.
Ein spirituelles Leben kann ganz schön anstrengend werden: Die Kundalini
Energie muss nach oben gezogen werden; das dritte Auge sollte auf sein;
man darf das Bett mit dem Fußende nicht zur Zimmertür und den Herd nicht in
die Mitte der Küche stellen ; man darf kein Fleisch essen; man sollte seine
Affirmationen so oft wie möglich wiederholen und seine Mantras singen; Man
sollte jeden Tag Yoga machen; einen Reiki Grad oder ein andere Äquivalent
sollte man schon haben; wir sollten heilige Kraftorte erfühlen können; wir
sollten intuitiv spüren, wie es dem anderen geht; wir sollten uns unsere Träume
merken und analysieren können, wir sollten … wir sollten…
Ganz schön viel! Weswegen verlangen und erwarten wir soviel von uns?
Weil wir etwas erreichen wollen.
Wir wollen glücklich sein.
Wir wollen keine Probleme mehr haben.
Wir wollen Aufwachen.
Wohin aufwachen?
Für die meisten von uns begann das spirituelle Aufwachen mit einer Suche.
Wir schauten uns unser Leben an – und es gefiel uns nicht. Wir merkten, dass
wir uns im Kreise drehen, kein Vertrauen in unser Leben haben und das tun,
was andere von uns erwarten.
Dann hörten wir von Engeln oder einem erleuchteten Meister oder einer
spirituellen Ausbildung, die uns helfen sollte. Wir trafen die Entscheidung uns
umzuschauen, etwas Neues erfahren zu wollen. Und mit dieser Entscheidung
teilten sich die Suchenden in zwei Gruppen ein:
Die eine Gruppe suchte nach einem Eltern-Ersatz. Suchte nach einem
Wunder. Einer schnellen Veränderung. Einem „magischen Schlüssel“, der alles
richten kann. Irgendwie glaubten wir, dass es da ein „Secret“, ein
„Geheimnis“ gibt, das – wenn wir es erst verstanden haben – uns ins gefühlte
Paradies befördert. Mit tollem Job, tollem Partner, tollen Kindern und viel Geld
und Erfolg. Und so suchten wir nach jemandem, der „etwas weiß“ und uns
hilft, unser Leben zu meistern. Wir suchten nach jemandem, den wir anbeten
können. Kurzum jemandem, der die Verantwortung für unser Leben
übernimmt. Dabei gab es diverse Heilsversprechen und angebliche
„Abkürzungen“: „Wenn du XY machst, diese Ausbildung machst, diesen
Kristall kaufst etc. dann bist du beschützt.“
Manche waren zuerst längere Zeit in dieser Gruppe und stellten dann nach
einer Weile fest, dass es weder beim Abnehmen, noch im spirituellen
Wachstum Abkürzungen gibt. Und so wendete man sich der zweiten Gruppe
zu. Der Gruppe, die gemerkt hatte, dass das Leben sich nur dann verändert,
wenn wir uns selbst verändern. Also weg von dem Glauben „Ich selbst bin
wenig und brauche jemanden, der mehr und größer und weiter ist als ich“ zu
der Ahnung: „Ich habe in mir diese Größe, die ich selbst entwickeln möchte
und dazu bin ich bereit die komplette Verantwortung für mein Leben zu
übernehmen und dazu suche ich mir die passenden Vorbilder.“ Diese
Vorbilder sind nur temporär da. Ihnen wird nicht gefolgt. Ihnen wird zugehört,
wie bei einem Mathematiklehrer in der Schule. Wir lernen von ihm die Regeln
der Mathematik. Aber wir laufen unserem Mathematiklehrer nicht in
unendlicher Bewunderung hinterher. Wir WISSEN, dass wir diese
Mathematikaufgaben selber lösen können– wenn wir es üben.
Beide Gruppen haben ihre spirituelle Erschöpfung. Die erste Gruppe wird
frustriert werden. Das Leben hat sich nicht wirklich verändert. Die Probleme
sind immer noch die gleichen. Der tolle neue Partner will einfach nicht
kommen. Das glückselige Wohlbefinden will sich einfach nicht einstellen. Und
so sucht diese erste Gruppe einen neuen Lehrer. Eine neue Lehre. DIESE Lehre
wird es jetzt sein! DIESE Lehre zeigt mir den Schlüssel zu einem leichteren
Leben. Und natürlich ist es auch DIESE Lehre nicht. Denn das spirituelle
Wachsein ist ein täglicher Prozess und den erfahren wir nur, wenn wir uns auf
unsere Intuition und auf uns selbst verlassen und niemand anderem
hinterherlaufen oder auf ein leichtes „Wunder“, eine Abkürzung, hoffen.
Natürlich gibt es Wunder. Nur im Wachstum eben nicht.
Die spirituelle Erschöpfung der zweite Gruppe ist eine Andere. Die zweite
Gruppe hat sich auf Grund der jahrelangen Übungen in eine
selbstverständliche Spiritualität hineinbewegt. Der Druck ist verschwunden.
Die Meditationen sind eine Selbstverständlichkeit wie das zwei Mal tägliche
Zähneputzen. Es sind viele spirituelle Bücher gelesen und verstanden worden
und so „sucht“ man nicht mehr nach einer Antwort. Die Antwort ist gefunden
worden. Jetzt geht es um das Leben, das so gelebt werden will, wie wir es
geübt und gelernt haben. Das heißt, dass selbstverständlich das Essen
gesegnet wird. Dass der innere Dialog mit dem Körper, das BodyBlessing,
normal geworden ist. Dass wir mit unserem Partner wahrhaftig und sensibel
umgehen. Dass nicht gelogen wird. Dass wir nicht mehr belehren wollen. Dass
wir uns erlauben Pausen zu machen. Diese Gruppe erlebt die spirituelle
Erschöpfung anders: Bei ihr ist es das spirituelles Bla-Bla, das ihr auf die Nerven
geht.
Mit dem Wort Erleuchtung konnte ich noch nie richtig etwas anfangen. Ich
benutze lieber das Wort „Wachsein“.
Wir haben keine Seele. Unsere Seele hat uns.
Es ist unsere Herausforderung als unendliche Seele, die eine menschliche
Erfahrung macht, unseren Verstand HINTER unsere Seele zu stellen. Und das ist
unser Verstand nicht gewohnt. Unsere Aufgabe hier in diesem Leben ist es
„Wach zu sein“ und unsere Herausforderungen aus der Sicht der Seele zu
sehen. Jeder von uns wünscht sich das. Und jeder von uns geht dazu seinen
eigenen für ihn richtigen Weg. Ob wir ihn jetzt in der ersten oder in der zweiten
Gruppe ausprobieren … irgendwann einmal erkennen wir, dass es um die
Selbstverantwortung geht. Woran erkennen wir, dass es funktioniert? Weil
unser Leben besser wird.
Wenn ich mir meine Beziehungen und mein Leben anschaue, dann erkenne
ich die Veränderung in meinem Leben. Alleine in meinen Beziehungen habe
ich in den Jahren ein anderes Miteinander gestaltet. So, wie ich es jetzt
erlebe, habe ich es mir nicht einmal vorstellen können. Wir erkennen den
Grad unseres Wachseins daran, wie wir mit den Herausforderungen des
Lebens umgehen. Wenn wir uns früher über etwas wochenlang aufgeregt
haben, berührt es uns heute vielleicht nur noch für eine halbe Stunde. DAS ist
unser Wachstum. DARAN erkennen wir unser Wachsein und ich wünsche uns
sehr, dass wir alle diese Schritte erkennen und uns daran erfreuen können.
Wachsein bedeutet nicht, dass wir keine Probleme mehr haben. Wachsein
bedeutet, dass wir die Probleme erkennen – die Herausforderung annehmen
– und uns anders verhalten als früher. Dieser Moment des Bewussten („ich
mache nicht das, was ich üblicherweise tue, sondern ich mache das, was ich
jetzt tun will“) ist die Gnade des Wachseins – und daran können wir uns
erfreuen. Jeden Tag mehr …
Herausforderungen durch spirituelle Erschöpfung
Pausen machen: Eine Ausbildung, ein Kurs, ein Vortrag nach dem Anderen
leert zwar unser Portemonnaie, aber nicht unser Karma. Wir müssen auch Zeit
haben, das Gelernte umzusetzen.
Herz geht zu: Mein Herz ist mein Barometer. Häufig frage ich mich: „Macht
dies mein Herz auf oder zu?“ und dann beobachte ich, wie ich mich fühle.
Aussagen, die mein Herz zumachen, wollen mir nur Angst machen.
Welt retten: Wir erschaffen uns zwar die Welt in der wir leben und doch
können wir nur die Verantwortung für uns selbst übernehmen. Dies zu
erkennen und anzunehmen, löst den Druck und entspannt.
Zuviel Pflichtgefühl: Viele trauen sich keine Pause zu machen, denn ihr
Pflichtgefühl hält sie davon ab: „Aber ich werde doch gebraucht!“ Niemand
ist unersetzlich. Wenn ich nicht mehr zur Verfügung stehe, dann gehen die
Leute eben woanders hin. Und wenn ich erschöpft bin, habe ich nichts zu
geben.
Spirituelles Bla-Bla: Unser spirituelles Leben ist selbstverständlich geworden und
das ist ein Geschenk, das wir uns selbst gemacht haben.

[/vc_column_text] [vc_button title=“DOWNLOAD: Anzeichen spiritueller Erschöpfung“ href=“http://farbfeld-malerei.de/wp-test-2013/wp-content/uploads/2013/07/Anzeichen-spiritueller-Erschoepfung.pdf“ color=“btn-danger“ size=“wpb_regularsize“ icon=“wpb_document_pdf“ target=“_self“ width=“1/1″ el_position=“first last“] [vc_column width=“1/1″ el_position=“first last“] [vc_column_text width=“1/1″ el_position=“first last“]

Als es mir das erste Mal passierte, befürchtete ich, ich sei arrogant geworden. Ich war selbst Referentin und hörte jemand anderem auf der Bühne zu. Nach einer Weile fingen meine Beine an, unruhig zu werden. Immer ein Zeichen, dass ich weg will. Doch ich blieb sitzen. Ich beobachtete, wie meine Gedanken wanderten: Zum bevorstehenden Rückflug in die USA, der Geburtstagsplanung für meine damals noch kleine Tochter. Zwischendrin versuchte ich mich wieder auf die Referentin zu konzentrieren, doch mein Körper rutschte unruhig auf meinem Stuhl hin und her. Weder das Konzentrieren auf meinen Atem, noch die versuchte Meditation halfen mir weiter. Ich merkte, wie ich wütend wurde. Wütend über das, was ich da
hörte.

Ich werde selten wütend. Und da ich weiß, was man mit Gefühlen macht, fragte ich die Wut in mir, was sie mir denn sagen will. Sie antwortete prompt: „Ich kann diesen Schmarrn nicht mehr hören!“ Ja, das war wahr. Was mich störte, war die „Inszenierung“ der Referentin, der heilige Blick, Phrasen und unwahre Heilsversprechen: „Wenn ihr das und das
macht, dann werdet ihr nie wieder ein Problem haben.“ Gleichzeitig fragte ich mich vorsichtshalber, ob ich arrogant geworden bin? Ich besprach später die Situation mit meinen Freunden. Eine davon fragte mich, ob es denn Referenten gäbe, von denen ich begeistert bin. „Natürlich!“ antwortete ich und ratterte deren Namen herunter. „Wenn du arrogant wärst, dann würde dir keiner der anderen Referenten gefallen. Da gibt es offensichtlich was an dieser Referentin, das du nicht als aufrichtig empfindest.“
Über die Jahre merkte ich, dass meine Geduld zwar in vielem wuchs, aber in
einer Sache immer kleinlicher wurde: Mein Radar für authentisches spirituelles
Leben oder hingeschmissene Plattitüden wurde immer schärfer.
Ich war nicht die Einzige. Eine Freundin sprach bei einem Abendessen davon,
dass sie ein spirituelles Detox-Programm braucht. Wir lachten laut auf. Ja, das
gewünschte „Entgiftungsprogramm“ konnten wir nachvollziehen. Viele von
uns waren seit vielen Jahren aktiv in ihrem spirituellen Wachstum tätig. Wir
meditieren jeden Tag. Wir waren aufmerksam, was wir dachten, sagten und
taten. Und – jeder von uns – reagierte mittlerweile allergisch auf spirituelles
„Bla-Bla“.
Ein spirituelles Leben kann ganz schön anstrengend werden: Die Kundalini
Energie muss nach oben gezogen werden; das dritte Auge sollte auf sein;
man darf das Bett mit dem Fußende nicht zur Zimmertür und den Herd nicht in
die Mitte der Küche stellen ; man darf kein Fleisch essen; man sollte seine
Affirmationen so oft wie möglich wiederholen und seine Mantras singen; Man
sollte jeden Tag Yoga machen; einen Reiki Grad oder ein andere Äquivalent
sollte man schon haben; wir sollten heilige Kraftorte erfühlen können; wir
sollten intuitiv spüren, wie es dem anderen geht; wir sollten uns unsere Träume
merken und analysieren können, wir sollten … wir sollten…
Ganz schön viel! Weswegen verlangen und erwarten wir soviel von uns?
Weil wir etwas erreichen wollen.
Wir wollen glücklich sein.
Wir wollen keine Probleme mehr haben.
Wir wollen Aufwachen.
Wohin aufwachen?
Für die meisten von uns begann das spirituelle Aufwachen mit einer Suche.
Wir schauten uns unser Leben an – und es gefiel uns nicht. Wir merkten, dass
wir uns im Kreise drehen, kein Vertrauen in unser Leben haben und das tun,
was andere von uns erwarten.
Dann hörten wir von Engeln oder einem erleuchteten Meister oder einer
spirituellen Ausbildung, die uns helfen sollte. Wir trafen die Entscheidung uns
umzuschauen, etwas Neues erfahren zu wollen. Und mit dieser Entscheidung
teilten sich die Suchenden in zwei Gruppen ein:
Die eine Gruppe suchte nach einem Eltern-Ersatz. Suchte nach einem
Wunder. Einer schnellen Veränderung. Einem „magischen Schlüssel“, der alles
richten kann. Irgendwie glaubten wir, dass es da ein „Secret“, ein
„Geheimnis“ gibt, das – wenn wir es erst verstanden haben – uns ins gefühlte
Paradies befördert. Mit tollem Job, tollem Partner, tollen Kindern und viel Geld
und Erfolg. Und so suchten wir nach jemandem, der „etwas weiß“ und uns
hilft, unser Leben zu meistern. Wir suchten nach jemandem, den wir anbeten
können. Kurzum jemandem, der die Verantwortung für unser Leben
übernimmt. Dabei gab es diverse Heilsversprechen und angebliche
„Abkürzungen“: „Wenn du XY machst, diese Ausbildung machst, diesen
Kristall kaufst etc. dann bist du beschützt.“
Manche waren zuerst längere Zeit in dieser Gruppe und stellten dann nach
einer Weile fest, dass es weder beim Abnehmen, noch im spirituellen
Wachstum Abkürzungen gibt. Und so wendete man sich der zweiten Gruppe
zu. Der Gruppe, die gemerkt hatte, dass das Leben sich nur dann verändert,
wenn wir uns selbst verändern. Also weg von dem Glauben „Ich selbst bin
wenig und brauche jemanden, der mehr und größer und weiter ist als ich“ zu
der Ahnung: „Ich habe in mir diese Größe, die ich selbst entwickeln möchte
und dazu bin ich bereit die komplette Verantwortung für mein Leben zu
übernehmen und dazu suche ich mir die passenden Vorbilder.“ Diese
Vorbilder sind nur temporär da. Ihnen wird nicht gefolgt. Ihnen wird zugehört,
wie bei einem Mathematiklehrer in der Schule. Wir lernen von ihm die Regeln
der Mathematik. Aber wir laufen unserem Mathematiklehrer nicht in
unendlicher Bewunderung hinterher. Wir WISSEN, dass wir diese
Mathematikaufgaben selber lösen können– wenn wir es üben.
Beide Gruppen haben ihre spirituelle Erschöpfung. Die erste Gruppe wird
frustriert werden. Das Leben hat sich nicht wirklich verändert. Die Probleme
sind immer noch die gleichen. Der tolle neue Partner will einfach nicht
kommen. Das glückselige Wohlbefinden will sich einfach nicht einstellen. Und
so sucht diese erste Gruppe einen neuen Lehrer. Eine neue Lehre. DIESE Lehre
wird es jetzt sein! DIESE Lehre zeigt mir den Schlüssel zu einem leichteren
Leben. Und natürlich ist es auch DIESE Lehre nicht. Denn das spirituelle
Wachsein ist ein täglicher Prozess und den erfahren wir nur, wenn wir uns auf
unsere Intuition und auf uns selbst verlassen und niemand anderem
hinterherlaufen oder auf ein leichtes „Wunder“, eine Abkürzung, hoffen.
Natürlich gibt es Wunder. Nur im Wachstum eben nicht.
Die spirituelle Erschöpfung der zweite Gruppe ist eine Andere. Die zweite
Gruppe hat sich auf Grund der jahrelangen Übungen in eine
selbstverständliche Spiritualität hineinbewegt. Der Druck ist verschwunden.
Die Meditationen sind eine Selbstverständlichkeit wie das zwei Mal tägliche
Zähneputzen. Es sind viele spirituelle Bücher gelesen und verstanden worden
und so „sucht“ man nicht mehr nach einer Antwort. Die Antwort ist gefunden
worden. Jetzt geht es um das Leben, das so gelebt werden will, wie wir es
geübt und gelernt haben. Das heißt, dass selbstverständlich das Essen
gesegnet wird. Dass der innere Dialog mit dem Körper, das BodyBlessing,
normal geworden ist. Dass wir mit unserem Partner wahrhaftig und sensibel
umgehen. Dass nicht gelogen wird. Dass wir nicht mehr belehren wollen. Dass
wir uns erlauben Pausen zu machen. Diese Gruppe erlebt die spirituelle
Erschöpfung anders: Bei ihr ist es das spirituelles Bla-Bla, das ihr auf die Nerven
geht.
Mit dem Wort Erleuchtung konnte ich noch nie richtig etwas anfangen. Ich
benutze lieber das Wort „Wachsein“.
Wir haben keine Seele. Unsere Seele hat uns.
Es ist unsere Herausforderung als unendliche Seele, die eine menschliche
Erfahrung macht, unseren Verstand HINTER unsere Seele zu stellen. Und das ist
unser Verstand nicht gewohnt. Unsere Aufgabe hier in diesem Leben ist es
„Wach zu sein“ und unsere Herausforderungen aus der Sicht der Seele zu
sehen. Jeder von uns wünscht sich das. Und jeder von uns geht dazu seinen
eigenen für ihn richtigen Weg. Ob wir ihn jetzt in der ersten oder in der zweiten
Gruppe ausprobieren … irgendwann einmal erkennen wir, dass es um die
Selbstverantwortung geht. Woran erkennen wir, dass es funktioniert? Weil
unser Leben besser wird.
Wenn ich mir meine Beziehungen und mein Leben anschaue, dann erkenne
ich die Veränderung in meinem Leben. Alleine in meinen Beziehungen habe
ich in den Jahren ein anderes Miteinander gestaltet. So, wie ich es jetzt
erlebe, habe ich es mir nicht einmal vorstellen können. Wir erkennen den
Grad unseres Wachseins daran, wie wir mit den Herausforderungen des
Lebens umgehen. Wenn wir uns früher über etwas wochenlang aufgeregt
haben, berührt es uns heute vielleicht nur noch für eine halbe Stunde. DAS ist
unser Wachstum. DARAN erkennen wir unser Wachsein und ich wünsche uns
sehr, dass wir alle diese Schritte erkennen und uns daran erfreuen können.
Wachsein bedeutet nicht, dass wir keine Probleme mehr haben. Wachsein
bedeutet, dass wir die Probleme erkennen – die Herausforderung annehmen
– und uns anders verhalten als früher. Dieser Moment des Bewussten („ich
mache nicht das, was ich üblicherweise tue, sondern ich mache das, was ich
jetzt tun will“) ist die Gnade des Wachseins – und daran können wir uns
erfreuen. Jeden Tag mehr …
Herausforderungen durch spirituelle Erschöpfung
Pausen machen: Eine Ausbildung, ein Kurs, ein Vortrag nach dem Anderen
leert zwar unser Portemonnaie, aber nicht unser Karma. Wir müssen auch Zeit
haben, das Gelernte umzusetzen.
Herz geht zu: Mein Herz ist mein Barometer. Häufig frage ich mich: „Macht
dies mein Herz auf oder zu?“ und dann beobachte ich, wie ich mich fühle.
Aussagen, die mein Herz zumachen, wollen mir nur Angst machen.
Welt retten: Wir erschaffen uns zwar die Welt in der wir leben und doch
können wir nur die Verantwortung für uns selbst übernehmen. Dies zu
erkennen und anzunehmen, löst den Druck und entspannt.
Zuviel Pflichtgefühl: Viele trauen sich keine Pause zu machen, denn ihr
Pflichtgefühl hält sie davon ab: „Aber ich werde doch gebraucht!“ Niemand
ist unersetzlich. Wenn ich nicht mehr zur Verfügung stehe, dann gehen die
Leute eben woanders hin. Und wenn ich erschöpft bin, habe ich nichts zu
geben.
Spirituelles Bla-Bla: Unser spirituelles Leben ist selbstverständlich geworden und
das ist ein Geschenk, das wir uns selbst gemacht haben.

[/vc_column_text] [/vc_column]

Freiheit aushalten

Vor kurzem war ich bei einem Abendessen eingeladen und das Gespräch kam auf Auszeiten. Drei der Gäste träumten beim Nachtisch davon, wie es wohl wäre, sich einmal eine richtige Auszeit zu gönnen. „Die Leichtigkeit des Seins zu erleben“, wie einer es poetisch formulierte, „ohne Termine und ohne Druck“. Der Gesichtsausdruck aller drei schwankte zwischen Sehnsucht, Glückseligkeit und schwärmerischer Vorfreude. Ich dagegen war mir meiner Stirnfalten bewusst. „Es hört sich … hm … leichter an, als es ist.“ Die drei schauten mich an, als ob ich ihnen ihren Nachtisch weggelöffelt hätte. Ja, wie erkläre ich das? Ich hätte es damals auch nicht verstanden. Meine Vorstellungen waren deckungsgleich mit denen der Gäste: So eine Auszeit wird – MUSS! – großartig sein.

Oft hatte ich darüber nachgedacht, wie es wohl wäre, einen leeren Kalender zu haben. Einmal im Leben wirklich im Moment leben zu können. Morgens aufzustehen und sich zu entscheiden: Wozu habe ich denn eigentlich heute Lust? Würde ich in diesen glückseligen Zustand fallen, in dem angeblich Mönche sind, die in Schweige- oder Zen Klöstern leben? Würde es mir endlich, endlich wirklich gelingen in jeder Sekunde meines Lebens im Moment zu leben?
Würde ich mich dabei für ein völlig neues Leben entscheiden? Vor vierzehn Jahren hatte ich das schon mal probiert, doch da war ich noch aktive Mutter, verheiratet und hatte Tiere, die ebenfalls versorgt werden wollten und ein leerer beruflicher Kalender half da nicht wirklich weiter. Jetzt ist meine Tochter Mitte Zwanzig, lebt und arbeitet in den USA und ein leerer Kalender sieht heute völlig anders aus.
Er ist leer.
Wirklich leer.

Es dauert natürlich erst einmal, bis so ein Kalender leer wird. Ich bin seit dreißig Jahren freiberuflich tätig und darauf angewiesen, Termine zu machen. Meine sind meistens Buchprojekte, Vorträge oder Workshops und die werden ein, zwei Jahre im Voraus geplant. Um einen freien Kalender zu bekommen, musste ich davor über ein Jahr lang „Nein“ sagen. „Nein“ zu allen Anfragen. „Nein“ zu allen Angeboten. „Nein“ zu meinem beruflichen Leben.
Natürlich hatte ich nicht vor Halleluja singend und meditierend in der Nase zu bohren. Ich wollte frei sein. Frei, um meinen ersten Roman ohne Zeitdruck und ohne Abgabetermin fertig zu schreiben. Frei, um in meinem Atelier die Skulpturen zu erschaffen, die sich ergeben würden. Und vor allen Dingen frei für das zu sein, was sich mir anbieten würde. Ich wollte mit offenen Augen in die Welt schauen und JA sagen zu können, wenn mir danach war.

Warum sehnen wir uns nach einer Auszeit? Weil das, was wir tun, eine Pause verlangt. Wir drücken den „Stopp“-Knopf und schauen uns unser Leben an. Manche von uns sind so erschöpft, dass sie einfach nur ein Jahr lang
ausschlafen wollen. Manche sind auf der Flucht vor ihrem Leben und unglücklich mit dem, was sie sich erschaffen haben. Beides war bei mir nicht der Fall. Ich habe vor Jahren gelernt auf mich und meinen Körper zu hören und hatte genügend Freude und Freiraum und betrachtete meine Lebensumstände mit Dankbarkeit. Und doch spürte ich, dass meine Seele diese Pause von mir verlangte.

Eine Pause ist auch immer mit der Frage verbunden, ob wir denn wie bisher weitermachen wollen. Wollen wir NUR eine Auszeit oder brauchen wir eine Veränderung? Ich hatte fast zwanzig Jahre lang Vorträge und Workshops über spirituelles und persönliches Wachstum gehalten und war mir nicht sicher, ob es nicht Zeit war, damit aufzuhören. Es gibt so viele neue Autoren und Autorinnen, die mit einer Begeisterung auf Reisen gehen – was vortragen auch bedeutet – und vielleicht sollte ich Platz machen?

Die erste Zeit in dieser neuen Freiheit war ich gänzlich entspannt und ziemlich neugierig: Was kommt auf mich zu? Ich fühlte mich wunderbar, schrieb an meinem Roman und ging ins Atelier. Ich konnte tagelang im Atelier arbeiten und musste nichts unterbrechen. Noch war dieser Zustand zu neu, als das er mich langweilte. Ich konnte lange schlafen – was ich kaum tue. Ich konnte lange ausgehen – was ich noch weniger tue. Ich konnte plötzlich, ohne auf meinen Kalender schauen zu müssen, meine Tochter besuchen, die in Boston studierte. Ich konnte dort auch so lange bleiben, wie wir beide wollten.

Der Roman zog sich wie Kaugummi. Es gab Wochen, an denen ich nicht daran schrieb. Da gab es zwei Theaterstücke, eines das ich fertig machen wollte und ein anderes, welches auch nicht richtig vorankam. Zur gleichen Zeit erzählte mir eine Freundin von ihrer Mediatoren-Ausbildung und ich hörte in mir ein lautes „Ja.“ Das war das erste „Ja“ seit fast zwei Jahren. Wir trafen uns für die nächsten ein einhalb Jahre alle fünf Wochen für einen viertägigen Workshop, hatten dazwischen Treffen mit den anderen Studenten und ich merkte, wie es mich beruhigte, dass ich wenigstens etwas lernen konnte.

Mein früheres berufliches Leben wurde reduziert. Ich schrieb ab und zu einen Artikel für das Engelmagazin und machte weiterhin meine Seite auf Facebook. Es gab kaum Newsletters. Meine Website wurde nicht erneuert. Ich zögerte die Verbindung ganz zu lösen und fragte mich warum? Schließlich hätte ich mich ja auch ganz zurückziehen können. Warum tat ich es nicht? Mein Verstand, der das erste halbe Jahr entspannt war, fing an sich zu melden. Ich wurde unruhig. Ein paar Monate später bemerkte ich, das ich zwar gelernt hatte im „Jetzt“ zu sein, aber das „Jetzt“ war mir langweilig geworden.

„Langweilig?“, ich höre förmlich Ihren Ausruf. „Langweilig? Wie kann im Jetzt zu leben langweilig sein?“ Es kann. Für jemanden wie mich. Natürlich ist es angenehm. Aber „angenehm“ ist so ähnlich wie das dahinplätschern von einem Bach. Es ist ohne jede Herausforderung, ohne jede Spannung.

Angenehm war mir vertraut. Ich hatte mein Leben vor vielen Jahren umgekrempelt. Ich hatte mich entwickelt. War wacher, reifer, ehrlicher geworden. Die Dramen meiner Kindheit, meines früheren erwachsenen Lebens waren einem klareren Bewusstsein gewichen und dafür war ich dankbar. Ich überlegte mir ernsthaft, ob ich vielleicht mit diesem Leben fertig war. Wenn das jetzt alles war, dieser Bach, der dahinplätschert, dann kann ich auch gehen…
Wenn Sie das lesen, mag das vielleicht deprimiert klingen, aber ich war völlig einig mit mir. Es war nur eine Frage und zwar eine, die nicht aus der Verzweiflung kam. Es ist der gleiche Grund warum man aus einer Badewanne steigt, wenn die Haut schrumpelig wird und das Wasser kalt. Die Zeit darin ist vorbei. War sie es auch für mich? Wenn nur noch der Bach rauscht, ich auf die Enkelkinder warte und noch ein paar Bücher schreibe, dann reicht mir das nicht.

Im Januar schrieb ich im Engelmagazin, dass ich mich fühlte, als würde ich in einem Zug sitzen, der nicht abfährt. Ich habe noch nie so viele Zuschriften auf einen Artikel bekommen. Vielen schien es ähnlich zu gehen. Einige schlugen mir rührenderweise Hilfemöglichkeiten vor. Doch ich habe nicht vor, diesen Zustand abzukürzen. Im „Jetzt“ sein bedeutet auch alles was im Jetzt ist zuzulassen. Es ist wie es ist. Dieser Zustand, in dem ich mich befinde, ist von meiner Seele so gewollt. Er hat eine Nützlichkeit. Ich erkenne etwas dadurch.
Ich will ihn nicht gleich wieder loswerden, nur weil er unangenehm ist. Kurz nach dem Zug-Artikel hatte ich eine Meditation in dem ich Zarathustra, einem Meister-Engel und seit vielen Jahren einer meiner Lehrer, vor meinem inneren Auge gegenüber saß. Ich spürte seinen Blick auf mir ruhen und er stand auf und nahm meine Hand. Seit zwanzig Jahren sitzen wir uns gegenüber und er war noch nie aufgestanden. Wir gingen gemeinsame ein paar Schritte und dann bemerke ich, dass es keinen Boden mehr unter uns gab: Wir flogen!
„Wohin fliegen wir denn?“ fragte ich ihn.

„Wir fliegen! Reicht dir das nicht?“ antwortete er.

Ein Ruck ging durch meinen Körper. Oh mein Gott! Es reichte mir nicht! Das wurde mir schlagartig klar. Ich musste über mich selber lachen: Typisch Sabrina! So auf ein Ziel trainiert, dass sie das fliegen nicht bemerkte. Und ich war gleichzeitig erleichtert. Mir wurde klar, wie sehr ich Herausforderungen liebe. Ich liebe es Lösungen zu finden. Ich liebe es zu planen. Mir fehlte … ein Ziel. Und das ging mir ab. Körperlich ab. Schmerzlich ab. Frustrierend ab.

Das war vor drei Monaten. Als ich mich vor kurzem mit meinem Steuerberater zusammensetzte, um meine Steuererklärung zu besprechen, bemerkte ich, dass ich mich für die fehlenden Einnahmen vom letzten Jahr schämte. Da wurde mir klar, wie sehr mein inneres Wertegefühl immer noch damit zusammenhängt, ob ich mir meinen Lebensunterhalt verdiene, ob ich nützlich war, ob ich etwas geleistet hatte. Ich verstand jetzt besser, wie es Menschen geht, die ohne bezahlte Arbeit sind. Ich hatte keine Ahnung wie anstrengend das ist.

So eine Auszeit ist immer auch eine Häutung. Wie ein Schlange, die sich an Steinen reibt, um die alte, zu klein gewordene Haut abzustreifen, so reibe ich mich an meinem bisherigen Leben. Dieses Häuten ist nicht einfach. Weder für die Schlange, noch für mich. Ich finde mich in Gefühlszuständen wieder – heiß/kalt, frustrierend/erschöpft, unruhig/irritiert – die ich schon lange nicht mehr in dieser Intensität hatte. Freiheit aushalten ist vergleichbar mit einer zu umfangreichen Speisekarte: Man ist dankbar für die Auswahl, aber es ist schwieriger sich zu entscheiden.

Was habe ich bisher gelernt?

  • Auszeiten haben nichts mit der Wunschvorstellung zu tun.
  • Herausforderungen, Pläne und Spannungen gehören zu einem erfüllten Leben.
  • Ich werde garantiert kein Zen-Mönch.
  • Ich vermisse meinen Beruf, meine Berufung. Und ich werde weitermachen, aber anders.
  • Ein Buch zu schreiben dauert länger, wenn es keinen Abgabetermin gibt.

Mein Zug ist immer noch nicht abgefahren. Aber es ist bald soweit. Ich kann es spüren …

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Aus dem Buch:

Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1. Kapitel

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

wir haben unseren Blick nach innen gelenkt und Licht und Schatten gefunden. Das Licht, das haben wir gesucht, den Schatten, den wollten wir loswerden.

Dann haben wir uns angestoßen. Da lag er. Der Stolperstein auf unserem Weg ins Licht. Da wollen wir hin, weg von den Schwierigkeiten des menschlichen Lebens.

Und doch, wenn wir uns diesen Stolperstein ganz genau betrachten, dann hat er die Qualität einer Perle. Hilfsbereit liegt er vor unseren Füßen, weil er uns den Weg weisen will. Den Weg zu einer Leichtigkeit … wenn – ja wenn – wir von diesem Stolperstein lernen.

Wir sind nicht die Ersten, die das tun. Neben uns räumt jeder irgendwie seinen Weg auf. So können wir uns zurufen, was uns geholfen hat. Und so ist dieses Buch ein liebevoller Zuruf von meinen Freunden und mir.

Licht und Liebe und Gottes Segen

Sabrina Fox

München, Oktober 2008

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

  1. Wieso gibt es Stolpersteine?
  2. In welcher Phase meiner spirituellen Entwicklung bin ich?
  3. Irgendwie ist das komisch …
  4. Worauf sollte ich besonders achten?
  5. Vorsichtig: Beispiele
  6. Was mache ich falsch, wenn es bei mir nicht funktioniert?
  7. Woran erkenne ich einen guten Lehrer?
  8. Welche Stolpersteine gibt es für Lehrer?
  9. Ist das Meditieren wirklich so wichtig?
  10. Was ist, wenn die anderen mich für verrückt halten?
  11. Warum hören sie denn nicht auf mich?
  12. Wenn ich mich bei anderen Religionen umschaue, bastle ich mir dann nicht einfach meinen Glauben zusammen?
  13. Wie viel hat unser Leben mit Karma zu tun?
  14. Ist das die dunkle Nacht der Seele?
  15. Wie erkläre ich meinen Kindern mein Gottesbild?
  16. Kann man sich wirklich alles vom Universum wünschen?
  17. Stimmt das, was ich in meinen Meditationen höre?
  18. Meine Freunde befürchten, ich flüchte mich in die Spiritualität
  19. Mein Partner und ich kommen nicht mehr miteinander zurecht – ist es Zeit, sich zu trennen?
  20. Wie kann ich erleuchtet werden?
  21. Wieso werde ich krank?
  22. Warum bin ich nicht glücklich, obwohl ich so viel für andere tue?
  23. Grenzen setzen: Beispiele
  24. Was ist meine Lebensaufgabe?
  25. Was ist eigentlich Channeling?
  26. Wie ist das mit Spiritualität und Sexualität?
  27. Warum will ich plötzlich nicht mehr so viel über Gott reden?
  28. Die Perle als Stolperstein oder Was haben wir gelernt?

Danke

Anhang

1. Kapitel

Wieso gibt es Stolpersteine?
Wir haben uns angestoßen. Vielleicht ein wenig, vielleicht viel. Vielleicht haben Sie einen Heiler getroffen, der sein eigenes Ego unterstützt, aber nicht Sie. Vielleicht ist es eine Lehrerin, die eigentümliche Eigenschaften hat, und Sie sind irritiert, ob das wirklich spirituell ist. Vielleicht hat eine Dunkelheit sich in Ihr Herz gelegt, gerade jetzt, wo Sie doch ins Licht schauen wollen. Vielleicht haben Sie gerade viel Geld für hellsichtige Kartenleger ausgegeben und wundern sich, wie das weitergehen soll. Irgendwo in Ihnen nagt dieses komische Gefühl, das wir alle kennen und das wir alle gelegentlich ignorieren. Doch dieses Gefühl lässt Sie dieses Mal nicht los. Irgendetwas will aufmerksam betrachtet werden. Und dieses Irgendetwas ist einer unserer Stolpersteine.

Stolpersteine – also Herausforderungen – liegen nicht deswegen auf dem spirituellen Weg, weil Gott gerne zuschaut, wenn wir uns anstoßen. Sie liegen da, damit wir auf sie aufmerksam werden.

Jeder von uns hat Hausaufgaben mitbekommen. Dinge, die wir, als Seele, lernen wollen. Und die tauchen auf, ob wir – als Ego, als Persönlichkeit – das wollen oder nicht. Sie sind einfach da. Gelegentlich können wir sie für eine Weile ignorieren und hoffen, dass sie damit verschwinden. Das tun sie manchmal auch, doch nur um kurze Zeit später wieder verstärkt aufzutauchen. Schließlich hat unsere Seele diese Aufgaben hierher mitgenommen, und sie wollen gelöst werden.

Wir hatten gehofft, dass menschliche Probleme dank unseres beginnenden oder fortgeschrittenen spirituellen Trainings bald der Vergangenheit angehören. Wir haben diesen neuen Weg beschritten, weil wir mit dem Leben, so wie wir es bisher gelebt hatten, nicht glücklich waren. Irgendetwas bereitete uns große Schmerzen und zwang uns tief nach innen. Dabei haben wir nicht nur unsere Umgebung, sondern auch uns selbst untersucht und versucht, mit Gottes Hilfe neue Wege zu gehen.

Als ich anfing, mich auf meinen spirituellen Weg zu machen, hatte ich eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie er aussehen würde: Er wird am Anfang recht steil bergauf gehen, was natürlich sehr anstrengend sein wird, aber dann, wenn ich gelernt habe, wie man »richtig« betet, »richtig« meditiert und »richtig« lebt, wird es ein gerader, herrlicher Spaziergang sein. Meine Mitmenschen werden voller Erstaunen danebenstehen und sich wundern, warum bei mir alles so gut klappt. Ich werde immer gesund, immer erfolgreich, immer strahlend und immer liebevoll sein. Ich werde in mir ein Gefühl völligen Friedens verspüren – schließlich will man ja nicht umsonst so lange meditiert haben –, und nichts, aber auch gar nichts wird mich aus der Ruhe bringen. Falls sich doch gelegentlich ein Schicksalsschlag in meine Gegend verirren sollte, werde ich den mit den nötigen Gebeten in etwas harmlosere Schranken verweisen oder, je nachdem, so schnell wie möglich meine Lehren daraus ziehen und dann weiterhin dem herrlichen Sonnenaufgang entgegengehen: selbstverständlich singend und in ewiger Glückseligkeit.

Gut, nicht wahr?

»Ha!«, wird sich da der liebe Gott schmunzelnd gedacht haben. »Das wäre doch aber zu langweilig. Bist du nicht hier auf Erden, um zu leben?«

Und meine Antwort hätte ungefähr so gelautet: »Gegen das Leben habe ich ja im Prinzip nichts einzuwenden, aber gegen die Aufregungen und gegen schmerzhafte Gefühle möchte ich mich absichern.«

Wir sind Seelen, die menschliche Erfahrungen machen. Und zum Menschsein gehören nun mal angenehme und weniger beliebte Gefühle. Das heißt nicht, dass ein spirituelles Training keine Vorteile hat. Es hat jede Menge Vorteile: Wir lernen, aufmerksam zu leben, volle Verantwortung für unser Leben zu übernehmen, uns besser zu verstehen und damit andere besser zu verstehen. Wir werden entspannter, regen uns weniger auf und entwickeln ein sehr viel größeres Mitgefühl. Wir wollen im Dienst stehen und lernen doch auch, uns selbst zu achten. Wir sind intuitiver. Wir können die schönen Momente mehr genießen, weil wir mehr im Jetzt leben. Wir haben gelernt, unsere Gedanken zu beruhigen und jede Herausforderung als Chance zu sehen. Das allein ist den Weg schon wert. Dazu kommen noch neue, interessante Menschen, andere, ungewöhnliche Ideen, eine nicht enden wollende Fülle von Erfahrungen.

Spannend ist es schon, dieses Leben.

Unser Bewusstsein hat sich entwickelt, unsere Aufmerksamkeit wurde geschärft. Unser Wohlbefinden wuchs. Und doch … sind wir Menschen, ob wir es wollen oder nicht. Ein spannungsloses Leben kann leblos werden. Um es mit Sexualität zu vergleichen: Gar keinen Orgasmus zu haben wäre doch schade, doch ein immerwährender Orgasmus würde uns nach einer Weile auch auf die Nerven gehen. Es braucht den Wechsel. Spannung–Entspannung. Und beides gibt es im Leben genug.
Deswegen haben wir uns dieses Leben ausgesucht: Wir wollen etwas erleben, wir wollen unsere Seelenhausaufgaben erledigen und wir wollen Leben lernen. Dabei helfen uns die Stolpersteine.

In welcher Phase meiner spirituellen Entwicklung bin ich?
Natürlich maße ich mir nicht an, am Ende meiner spirituellen Entwicklung zu sein, aber mir ist aufgefallen, dass ein Aufwachen in ein spirituelles Leben in bestimmten Phasen vor sich geht. Freilich ist die Dauer dieser Phasen individuell verschieden. Manche erleben wir gar nicht, in anderen lassen wir uns für lange Zeit häuslich nieder.

Wir Menschen sind uns sehr ähnlich. Wir alle wollen dasselbe: Liebe, Glück, Gesundheit, Wohlstand, eine Gemeinschaft, eine Aufgabe, ein Dach über dem Kopf, genug zu essen und die Möglichkeit, ohne Angst zu leben. Als ich anfing, Bücher zu schreiben, und daraufhin die ersten Briefe bekam, hörte ich immer wieder ein verblüfftes »Ich glaube, Sie schreiben über mich; mir geht es genauso«. Es ist wunderbar, die Ähnlichkeit mit den Mitmenschen erleben zu dürfen, denn dadurch ergibt sich das tiefe Verständnis, dass wir doch alle zusammengehören. Wir sind in und aus Gott (der himmlischen Kraft, einem intelligenten Design … wie immer Sie es nennen wollen) gemacht.

Ich unterscheide weniger zwischen den einzelnen Glaubensgemeinschaften als zwischen erlebter und erlernter Spiritualität. Jeder von uns, der in einer der großen Religionen erzogen worden ist – wie ich im Christentum –, hat spirituelle Grundwerte erlernt. Andere haben ihre spirituellen Werte aus weniger organisierten Quellen. Für mich war das Verhältnis zu Gott lange Jahre ein distanziertes. Ich kannte natürlich die Worte des »Vaterunser«, aber ich fühlte sie nicht. Wenn es brannte, rief ich Gott um Hilfe, aber ohne wirklich auf eine Antwort zu hoffen. Es war mehr ein Dampfablassen oder fast eine Floskel. Ansonsten war da eher Funkstille. Irgendwann einmal – hervorgerufen durch eine berufliche Krise – wünschte ich mir mehr. Eine Innigkeit zwischen Gott und mir … falls ich ihn/sie überhaupt kontaktieren könnte. Sicher war ich mir damals noch nicht.

Damit beginnt der erste Schritt in die erlebte Spiritualität: mit der Phase des Aufwachens. Wer oder was auch immer uns dazu inspiriert hat – eine Krankheit, eine Krise, ein Pfarrer, ein Buch, ein Workshop, ein Freund –, irgendetwas hat uns dabei interessiert, und so haben wir nachzuforschen begonnen. Zuerst meistens heimlich. Wir sind uns noch nicht sicher, ob wir mit der einen oder anderen für uns doch seltsam erscheinenden Idee wirklich schon in die Öffentlichkeit wollen. Und da tut sich ein neues Land auf: Begriffe wie Chakren, frühere Leben, Meditationen, Gebete, Engel und weise Meister werden ganz selbstverständlich benutzt. Da gibt es ein hohes Selbst. Feng Shui und Reiki-Grade sind interessant. Plötzlich kann man alles irgendwie anders betrachten. Wie spannend! Wir kaufen Kristalle und jede Menge Engelbilder.

Die zweite Phase zeichnet sich durch eine große Begeisterung aus. Wir fühlen uns nicht mehr als die Anfänger, sondern haben bereits die eine oder andere Erfahrung gesammelt. Wir waren vielleicht schon auf Workshops und haben eine gänzlich andere Art des Umgangs miteinander erlebt. Oder wir haben unseren ersten Engelkontakt gehabt und sind verzückt von der Liebe, die da von uns erfühlt wurde. Wir haben spannende Bücher gelesen und neue, hochinteressante Leute kennengelernt. Und wir wollen das alles weitergeben. Da wir auch gleichzeitig beschlossen haben, aus der heimlichen Spiritualität in die öffentliche zu gehen – was nicht immer einfach ist –, wollen wir aber jetzt dafür allen anderen helfen. Wir wissen nun nämlich auch, wie! Wir erzählen von Engeln und von früheren Leben, empfehlen Heiler und Astrologen. Wir verschenken die Bücher, die uns geholfen haben, und kennen kaum mehr ein anderes Gesprächsthema. Unsere Umwelt schaut uns etwas verwundert oder verschreckt an und hofft, dass diese Phase bald vorbeigeht, und die große Sorge ist: »Gibt es da eine Sekte, die dahintersteckt?« Wir versuchen, so viel zu lernen, wie es nur geht, und hoffen, dass der nächste Workshop oder der nächste Lehrer uns weiterbringen. Manchmal haben wir vor lauter Lernen keine Zeit mehr zum Üben.

Die dritte Phase kann innerhalb von ein paar Stunden oder leider erst nach einigen Jahren wieder verlassen werden. Wir haben uns in eine leichte bis schwere Abhängigkeit begeben. Davon gibt es zwei Sorten: die von Ideologien oder die von Menschen. Wir »wissen« zum Beispiel jetzt, dass niemand Fleisch essen sollte oder dass eine bestimmte Maßnahme alles heilt, und/oder wir haben einen Hellsichtigen, Channel (siehe das Kapitel »Was ist eigentlich Channeling?«), einen Meister oder eine Meisterin, einen erfahreneren Freund oder eine Freundin beziehungsweise einen Astrologen, ohne den wir keine Entscheidung mehr treffen. Wir wollen uns in diesem Leben absichern – auch ein Grund, warum wir uns überhaupt für Spirituelles interessieren – und verschwenden nicht nur Zeit, sondern manchmal auch sehr viel Geld dabei. Wir suchen nach jemandem, der uns führt, der uns sagt, wo es langgeht, und haben somit unsere Verantwortung für unser Leben abgegeben.

Da wahre Spiritualität jedoch auch immer bedeutet, die volle Verantwortung für seine Gedanken, Worte und Taten zu übernehmen, wachen wir auch davon irgendwann einmal auf – spätestens dann, wenn uns das Geld ausgeht oder wir so schmerzliche Erfahrungen in dieser Abhängigkeit gemacht haben – und versprechen uns, so etwas nie wieder zu erlauben. Manche verlieren dabei, verständlicherweise, völlig das Interesse an Spirituellem und wenden sich ab.
Zur großen Beruhigung einiger unserer alten Freunde (falls wir sie dann noch haben) sind die letzten zwei Phasen abgeschlossen, und wir gehen in die vierte Phase: die des aufmerksamen Aussortierens von »Was funktioniert und was nicht?«. Wir haben verstanden, dass wir in der zweiten Phase der Begeisterung zu oft unsere Mitmenschen überfallen haben. Wir haben gelernt, dass unser Weg nicht für alle richtig ist, wir haben vor allen Dingen verstanden, dass wir nur dann Ratschläge geben sollten, wenn wir auch gefragt werden. Und wir haben gelernt, unserer eigenen Wahrnehmung besser zu vertrauen. Diese vierte Phase ist die der Selbstverständlichkeit. Wir haben unsere Routine. Wir üben mehr und suchen Workshops und Vorträge sehr sorgfältig aus. Unsere regelmäßigen Meditationen unterstützen uns. Gelegentlich erleben wir »die dunkle Nacht der Seele«, und da dies nicht unsere erste ist, wissen wir auch, wozu wir sie haben. Mit der gelebten Spiritualität hat sich das Leben verändert, und Freundschaften und Beziehungen haben keine manipulativen Tendenzen mehr.

In der fünften Phase – die nicht jeder geht – haben wir uns einem rigorosen spirituellen Training unterzogen. Wir sind sehr streng mit uns umgegangen. Haben sehr große Erwartungen darüber, wie sich ein spiritueller Mensch zu verhalten hat, und haben vieles abgelegt, was uns nicht »richtig« erscheint. Selbstverständlich trinken wir keinen Alkohol, nehmen weder Fleisch noch Zucker zu uns, verzichten eventuell auf Sexualität. Wir wollen ein ganz und gar geistiges Leben und lehnen unterbewusst unseren Körper ab, den wir zu bezwingen versuchen. Wir meiden Menschenansammlungen, da sie uns ermüden, und fühlen uns in unserer eigenen Stille oder in der Gegenwart einzelner, ausgewählter Menschen am wohlsten. Laute Musik können wir nicht ertragen. Wir sind mehr und mehr in der Lage, wohlwollend auf alle Mitmenschen zu schauen, und glauben, dass wir es fast geschafft haben, alle Menschen gleich zu lieben.

Die sechste Phase beginnt nicht selten mit einer weiteren »dunklen Nacht der Seele«. Falls wir die fünfte Phase erlebt haben, merken wir plötzlich, wie wir uns in einem flachen Leben wiederfinden. Wir leben eine gerade Linie ohne Höhen und Tiefen. Alles an Aufregung, Spaß und Lust haben wir uns abgewöhnt. Wir haben uns nicht einmal mehr getraut, uns zu verlieben, weil wir ja dann die Kontrolle verlieren würden, und zu unserem Schock wird uns klar, dass wir in der gerade erlebten, fünften Phase unser Leben kontrollieren wollten. Doch jetzt möchten wir unser herzliches lustvolles Lachen wieder zurückhaben, ohne die tiefe spirituelle Wärme und das Wissen zu verlieren.
Nach dieser Klarheit erleben wir ein tiefes Verständnis für unsere Mitmenschen und Gott sei Dank endlich auch für uns selbst. Damit beginnt die siebte Phase. Wir haben gelernt, nein zu sagen, und erwarten den gleichen Respekt, den wir anderen entgegenbringen, auch für uns. Wir erkennen sehr wohl, wenn der Körper Signale schickt. Wir haben die vollständige Verantwortung für unser Leben übernommen und schieben nichts mehr auf Gott, die Wirtschaftslage oder unseren Nachbarn. Uns fällt auf, dass unsere Spiritualität privater wird. Wir reden seltener darüber. Wir haben tausend Fragen gestellt, und viele sind uns beantwortet worden. Jetzt heißt es, das Gelernte auch zu leben. Andere Gesprächsthemen interessieren uns nun auch wieder. Es passiert sogar ab und zu, dass uns das aufregende Leben wieder eingeholt hat und wir uns dabei erwischen, wie unsere Meditationen oder Stillezeiten kürzer werden. Und ohne großes Palaver setzen wir uns hin und fangen wieder an, regelmäßig zu meditieren. Und das in voller Dankbarkeit, dass Gott überall ist und wir jederzeit – durch einen tiefen Atemzug – in dieser Innigkeit sein können. Wir haben endlich auch praktisch verstanden, dass wir eine Seele sind, die menschliche Erfahrungen macht, und können das jetzt mit einer Leichtigkeit akzeptieren, die uns früher fremd war. Wir haben unsere spirituelle Engstirnigkeit verloren, und sie geht uns keinen Moment lang ab.

Wahrscheinlich gibt es noch Phasen danach. Ich sehe bei einigen meiner Freunde und Bekannten eine Art Meisterschaft in verschiedenen Aspekten. Meine Freundin Sunny zum Beispiel lebt wirklich im Jetzt. Sie hat eine Entspanntheit, die ich sehr bewundere. Ist das die Phase acht? Neun? Oder sind es Aspekte von uns, in denen wir es einfach schon zu einer Art Meisterschaft gebracht haben? Wir werden es sehen. Meine Schwester Susanne Adlmüller und ich unterhielten uns vor einiger Zeit über die ersten Phasen. Ich bat sie, doch ein paar ihrer Erinnerungen aufzuschreiben. Susanne gibt Energie-Ganzkörpermassagen, ist Dozentin an der Paracelsusschule, leitet Visionquests und arbeitet freiberuflich an administrativen Aufgaben. Susanne hat eine verheiratete Tochter, Beatrice, und ist stolze Oma von Finn. Sie schreibt:

»Am Anfang war das Missionieren.

In der Zeit konnte man Sabrina nichts erzählen, ohne sofort den ultimativen Ratschlag zur Veränderung seines Lebens zu erhalten. Nicht, dass ich keine Ratschläge mag, aber immer, bei jeder Gelegenheit. Das hielt sich am längsten.

›Der heilige Blick‹ oder ›Das selige Lächeln‹.

Das gehört auch zur Anfangsphase. Ein sanftes Lächeln im Gesicht mit einem Blick, dass man meinen konnte, die Heiligsprechung durch den Papst sei schon vollzogen worden.

Damals lebte Sabrina noch in Los Angeles und wenn sie nach München kam, wohnte sie bei mir; sie hatte dort ein eigenes Zimmer, direkt über meinem Wohnzimmer. Ich wohne in einem alten Bauernhof, den ich sehr liebe, der aber auch sehr hellhörig ist.

Ich bin bekennender Fernsehschauer. Mit Sabrina war es schwierig, fernzusehen.
Sobald etwas ansatzweise brutal war oder Action hatte, floh sie regelrecht aus dem Zimmer, und es hallte Meditationsmusik, bevorzugt von Enya, durchs Haus. Ich hab mir dann angewöhnt, mit Kopfhörern fernzusehen, denn jedes noch so kleine Geräusch von Action hatte die Folge, dass Sabrinas Stimme von oben den ultimativen Satz ›Kannst du leiser machen?‹ sprach. Andere Musik gab es bei ihr auch kaum mehr. Die Phase ist Gott sei Dank vorbei.

Essen und Trinken.

Sabrina in München bedeutete immer Coca-Cola und Spezi, Semmeln mit warmem Leberkäs, Hofpfisterei-Brot und Bierschinken. Das war immer so, bis die große Veränderung stattfand. Ich hatte, wenn sie zu Besuch kam, diese Sachen vorher eingekauft.
Auf einmal erklärte sie, dass sie keine Getränke mit Kohlensäure mehr trinkt. Also besorgte ich beim nächsten Mal statt Coca-Cola Wasser.

Dann erklärte sie, dass sie kein Fleisch mehr isst, sondern nur noch Fisch. Also besorgte ich, bevor sie kam, Fisch.
Das ging einige Jahre ganz gut, bis sie alles änderte und wieder Fleisch aß. Spezi und Coca-Cola trinkt sie inzwischen auch wieder. Die Zeit ohne Alkohol ist ebenfalls vorbei; und ich genieße es sehr, mit ihr abends ein Glas Wein zu trinken.

Rauchen.

Das war sehr nervig. Bei jeder Zigarette (und ich weiß, dass es schädlich ist und stinkt und, und, und …) das ultimative Augenbrauenhochziehen. Dann die Frage ›Musst du schon wieder rauchen?‹ oder ›Du hast vor einer Stunde erst eine geraucht…‹ und so weiter, und so fort.
Dann der Höhepunkt: Es war an der Zeit, meine Pfeife zu bekommen, die indianische Zeremonienpfeife. Sabrina ergriff die Gelegenheit und erklärte mir, dass ich die Pfeife erst bekommen würde, wenn ich zu rauchen aufhörte.
Nur als Anmerkung: Bei Sabrinas Pfeife wurde ihr vom Spirit gesagt, dass sie, Sabrina, ihre erst bekäme, wenn sie mit dem Rauchen aufhörte, was sie dann auch sofort tat. Ich hatte nie das Gefühl, dass das bei mir ebenfalls stimmt.
Monate später gestand sie mir, sie habe mich nur zum Aufhören bewegen wollen.

Obdachlose.

Das war sehr mühsam und peinlich: Man geht mit jemandem spazieren, und alle zehn Meter bleibt man stehen, um mit einem Obdachlosen zu reden oder ihn zu umarmen. Das hat sich inzwischen auf ein normales Maß reduziert. Und wenn sie darauf angesprochen wird, dass jemand Hunger hat, gibt sie ein Frühstück oder Mittagessen aus.

Das Highlight: die Abfallphase.
Man soll seinen Abfall nicht auf die Erde werfen, das wissen wir alle. In unserer Familie wird das auch nicht gemacht. Doch wenn man mit Sabrina damals spazieren ging, kam man nicht sehr weit, da sie Müll immer aufhob. Wenn ich schreibe ›immer‹, meine ich ›immer‹. Jedes kleine oder große Fitzelchen, egal, ob im Wald oder in der Stadt.
Es kam vor, dass sie mit zwei prallgefüllten Tüten voll Dreck zurückkam. Es war auch sehr lustig, dass Sie nie mit Plastiktaschen das Haus verlassen hatte. Diese fand sie ebenfalls auf ihren Spaziergängen.
Einmal, als sie bei mir war und im Wald und am Wegesrand Abfall gesammelt hatte, drei Tüten voll, hielt ein Autofahrer an, um sie mitzunehmen. Sie war sehr froh darüber, denn der Dreck hatte ein ziemliches Gewicht.

Als mich Sabrina gebeten hatte, aufzuschreiben, was mich auf ihrem spirituellen Weg am meisten genervt hat, dachte ich, dass es unheimlich viele Dinge waren. Erst beim Schreiben ist mir aufgefallen, dass es gar nicht so viele sind.
Aber mir fiel auf, dass ich in meiner Anfangszeit auch einigen Freunden ziemlich auf die Nerven gegangen sein muss. Eine meiner ältesten Freundinnen hat mir sogar einmal angedroht, mir das Haus zu verbieten, falls ich das Wort ›Engel‹ noch einmal benutzen würde. Wir sind immer noch befreundet.«

Würde ich alles noch mal so machen? Davon abgesehen, dass diese Frage komplett sinnlos ist – es ist, wie es ist –, liegt es an meiner Persönlichkeit, mich auf etwas tief einzulassen. Wie sonst kann ich herausfinden, ob es mir das bringt, was ich suche? Das mit dem Rauchen tut mir leid, und das war auch noch vor meiner Zeit, in der ich mir versprach, nicht mehr zu lügen. Wie bei allem, was man sich angewöhnt, ist die erste Zeit eine Phase des Ausprobierens. Es fühlt sich noch fremd an. Wir müssen jedes Mal darüber nachdenken, bevor wir in Aktion treten. Es ist noch nicht »natürlich«.

Ich nahm vor einer Weile Tangounterricht, und in der Tanzschule fiel mir ein Plakat auf mit den verschiedenen Phasen, die man dabei durchläuft:

1. Lernen der Schritte,
2. unbeholfener Gebrauch der Schritte,
3. bewusster Gebrauch der Schritte,
4. selbstverständlicher Gebrauch der Schritte.

So ging es mir bei allen meinen Veränderungen. Es braucht eine gewisse Übung, bis man sich neue Verhaltensweisen angewöhnt hat. Und manche Schritte – also Verhaltensweisen – wurden später modifiziert. Susanne und ich haben eine Weile zusammengearbeitet. Sie organisierte meine Buchtouren und Workshops und machte unser kleines Büro. Obwohl wir diese Zeit sehr genossen haben, merkten wir nach ein paar Jahren, dass wir lieber wieder nur als Schwestern miteinander sein wollen. Wir haben uns während unserer Kindheit überhaupt nicht vertragen, und diese Innigkeit, die wir nun schon lange haben, ist ein weiteres großes Geschenk, das nur durch unseren spirituellen Weg und den einen und anderen Stolperstein entstanden ist.

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Dies ist kein Artikel, der einen Anfang, eine Mitte und ein gut überlegtes Ende hat. Es gibt keinen Rat. Kein Resümee. Dies ist eine Geschichte ohne Ende. Das liegt daran, dass ich mit meinem Lernen darüber noch nicht fertig bin. Ich komme mir zur Zeit vor, als würde ich in einem Zug sitzen, der nicht abfährt. Wenn ich durch das Fenster auf den Bahnhof schaue, dann sehe ich wie jeder weiß, wo er hin will; zielbewusst, mit Gepäck, mit einem Plan, mit einer Fahrkarte an mir vorbei läuft.
Doch ich, ich sitze im Zug. In einem Zug, der sich immer noch nicht bewegt. Der immer noch kein Ziel hat. Ein paar Mal bin ich ausgestiegen, um zu sehen, ob ich denn überhaupt im richtigen Zug sitze. Doch da steht, eindeutig: Sabrina Fox. Fahrplan: Seele. Zeit: Jetzt.

Dann gehe ich zurück in meinen Zug. Manchmal Zähne knirschend, manchmal lachend, manchmal genervt. Aber immer ein wenig neidisch, wenn ich die Anderen anschaue, die weiterhin an mir vorbeiziehen. Sie wissen, wo sie hinfahren. Sie kennen ihr Ziel. Sie sind auf dem Weg. Ich dagegen kenne mein Ziel nicht und so betrachte ich ungeduldig die Züge, die neben mir ankommen und wieder abfahren. Nur meiner, so scheint es, bewegt sich nicht.

Ein, zwei Mal bin ich in den letzten Monaten kurz ausgestiegen und mir ging es sofort besser. Ich wusste genau was zu tun war: Irgendein Projekt nehmen, eines, das ein Ziel hat oder einfach da weitermachen, wo ich vor ein paar Monaten aufgehört hatte. Einfach weiterhin Vorträge halten. Einfach wieder Ja zu Angeboten sagen. Doch dieser verdammte Zug will kein Ja mehr hören.
Meine Seele wollte, dass er steht und weil ich mich vor Jahren meinem inneren Wachstum verpflichtet habe, musste ich ihn anhalten. Und da steht er nun, mit 54 Jahren und bewegt sich nicht.

Schieben hilft nichts, das habe ich probiert. Weglaufen bringt auch nichts, dazu weiß ich zu viel. Ich weiß sämtliche Erklärungen auswendig. Schließlich habe ich sie oft genug gelehrt. Oft genug erklärt. Oft genug mir selbst vorgebetet. Das ist auch nicht meine erste Erfahrung darin. Aber die Intensivste. Ich hatte mich bisher nicht so komplett darauf eingelassen, im Jetzt zu sein. Was aber, wenn das Jetzt mich eines Zieles beraubt? Was, wenn nie wieder eines kommt? Was, wenn ich meine Begeisterung für das Leben verloren habe? Wenn ich mich auf die Stille in meinem Zug einlasse, dann spüre ich die beiden Frauen, die mit mir reisen. Zwei Frauen, die ich erst vor ein paar Monaten wahrgenommen habe. Eine ist meine Vorfahrin. Meine Ahnin. Sie zeigt sich mir nur mit ihrem Kind unter dem Arm, dass sie nach vorne schleudert, weil sie es besser haben soll. Sie ist damals, als Erste, als Ursprung meiner menschlichen DNA, aus einer Höhle gekrochen und wollte raus. Sie hat mir ihren Vorwärtsdrang vermacht. Sie ist es, die mich schubst, die keine Ruhe gibt, bis ich weiter mache. Ich bin ihr dankbar, denn ohne sie wäre ich nicht aus der Enge meines Elternhauses gekommen. Ohne sie hätte ich es nicht geschafft, weiter vorauszugehen, Grenzen zu überwinden und doch ist es auch mühsam mit ihr. Sie drängt eben nicht manchmal – nur dann, wenn es notwendig und wichtig ist – sondern sie drängt IMMER. Sie will, dass ich weiter vorwärts gehe. Sie kennt keine Pausen. Sie kennt kein Innehalten. Innehalten ist für sie das Ende. Ich erspüre sie als jemanden, der nie mit dem jetzigen Moment zufrieden sein kann. Sie denkt immer an morgen. Immer an das Nächste. Weiter! Komm! Mach! Ihre Forderungen kommen mit Ausrufezeichen und in diesem Zug, der nicht abfährt, wird sie verrückt.

Gott sei Dank sitzt noch jemand anderer in diesem Zug: Eine alte, weise Frau. Sie sieht mir ähnlich, denn sie ist – wie meine Vorfahrin – ich. Sie ist ich, am Ende dieses Lebens. Die hat die Erfahrungen schon gemacht, die mir noch bevorstehen. Sie hat viel erlebt, in dem zweiten Teil meines Lebens. Sei hat liebste Mitmenschen verabschiedet, manche hat sie auf dem Weg nach Hause betreut, manche sind in ihren ihrem Armen gestorben, und mit jedem Abschied starb auch eine Erinnerung. Sie hat Abschiednehmen gelernt und einiges andere. SIE hat gelernt im Jetzt zu leben. Sie schmunzelt, wenn sie sieht, wie ich darauf warte, dass wir abfahren. Sie hat es nicht eilig. Sie weiß, wo wir landen werden. Hier bei ihr. In dieser wunderbaren Innigkeit. Und ich weiß es auch. Und doch, ich – im meinem Jetzt – habe so meine Schwierigkeiten mich auf ihre Ruhe in meinem Zug einlassen. Sie sitzt, mit einem Bein angewinkelt, mir meistens gegenüber.Manchmal sitze ich auch in ihr. Dann spüre ich sie. Spüre ihre Leichtigkeit. Ihre Weisheit. Und wenn ich mich mit ihr ganz verbunden habe – wir uns ineinander auflösen, wenn Zeit und Raum nicht mehr existieren – wenn alles in mir langsamer wird, dann empfinde ich ihre Glückseligkeit. Und dann wundere ich mich, warum ich mich denn in diesem heutigen Moment so verwirren lasse. Immerhin sitze ich in einem Zug. Es regnet nicht herein. Mir ist nicht kalt. Er ist bequem. Ich bin in Gesellschaft und fühle mich mit beiden Frauen so inniglich vertraut: Die eine, die drängt und die andere, die entspannt lebt und beide gilt es zu verbinden: Die Weisheit der Einen mit der Kraft der Anderen.

Ich habe mir eine Kette machen lassen: Auf der einen Seite ein Bild von mir als Vorfahrin, auf der anderen eines als alte, weise Frau. Das trage ich um den Hals, um mich daran zu erinnern, beides zu verbinden. Es gelingt mir nicht wirklich. Ich bin auf der Suche nach irgendetwas, das diesen Zug zum fahren bewegt. Vielleicht eine Übung? Ein Ritual? Eine Hausaufgabe? Eine davon war folgende:
„Mache eine Liste und schreibe alles auf, was dich vielleicht interessieren würde, was du vielleicht machen möchtest, was dir vielleicht Spaß machen würde. Betrachte das von der Ego-Seite, von der Persönlichkeit aus. Lass dir Zeit damit. Lese dir die Liste in Ruhe durch und streiche aus, was du bei näherer Betrachtung doch nicht machen
möchtest.“

Das erste, was auf dieser Liste stand, war ein Kind zu adoptieren. Das war ein Wunsch, den ich früher einmal hatte und der nicht erfüllt wurde, weil mein damaliger Partner das nicht wollte. Mein Jetziger umarmte mich und meinte, dass ich seine erwachsenen Kinder doch schon adoptiert hätte. Ich strich es durch. Meine Liste war lang. Die Hälfte davon habe ich
durchgestrichten. Die andere Hälfte ist noch da. Beim Durchstreichen passiert folgendes: Wir informieren unser Feld, also unsere Aura darüber, dass sich bestimmte Dinge erledigt haben. Vielleicht haben wir uns vor Jahren überlegt, Kinder zu adoptieren? Vielleicht wollten wir ein Seminarhaus aufmachen? Vielleicht auswandern? Doch unser Leben hat sich anders entwickelt und diese „man-müsste-doch-Gedanken“ halten uns noch fest. Immer wieder stelle ich fest, dass ich nicht die Einzige bin, die sich überlegt, was wir mit dem Rest unseres Lebens anstellen wollen. Da gibt es noch die Kommune, die irgendwann einmal gegründet werden will. Ein gemeinsames Dorf, eine Vision, ein Miteinander, in der auch die Stille, die Individualität, das Wohlfühlen, das Reisen gelebt sein darf. In der die Kunst, der Austausch, der Spaß, die Weite eine Rolle spielen dürfen. Ist das jetzt die Zeit dafür, frage ich mich, in meinem Zug, der sich nicht bewegt? Heute las ich von verlassenen Immobilienprojekten – Ferienhäuser für dreißig, vierzig, fünfzig Familien, die nicht fertig gebaut in Spanien stehen – ist das ein Zeichen? Will ich nach Spanien? Ich lese weiter und spüre keine Begeisterung. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt dafür. Das sind Visionen für später und so lehne ich mich wieder seufzend wieder zurück, in die Polster in meinem Zug.

In meiner gestrigen Meditation sass mir Zarathustra, ein Meister-Engel, vor meinem inneren Auge gegenüber. Die meisten meiner Meditationen sind in Stille. Manchmal sehe ich mich mit meinen Lehrern. Wie üblich war ein Feuer zwischen uns und über uns ein weiter Himmel. Ich spüre seinen Blick auf mir ruhen und plötzlich steht er auf und nimmt meine Hand. Ich war überrascht. Seit zwanzig Jahren sitzen wir uns gegenüber und er ist noch nie aufgestanden. Wir gehen gemeinsame ein paar Schritte und dann bemerke ich, dass es keinen Boden mehr unter uns gibt. Wir fliegen, als wenn wir gehen würden. Ich war erstaunt darüber und fragte Zarathustra:
„Wo fliegen wir denn hin?“
„Wir fliegen! Reicht dir das nicht?“ antwortete er.

Kopf-2011

Kopf-2011

„Der Kopf – Ausdruck und Humor in Ton“ mit Sabrina Fox

Bildhauerkurs für Anfänger und Fortgeschrittene

(Bei Buchung von mehreren Kursen in der Sommerakademie ab dem 3. Kurs Ermäßigung 60,- Euro)

Mai 2013

Ort:Sommerakademie Hohenaschau, Cramer-Klett-Str. 15, 83229 Aschau

Zeit: 13.05. – 17.05.2013

Mo 9.00 – 12.30 Uhr, Di – Fr 9.00 – 12.00 Uhr,

Mo -Do 14.00 Uhr – 17.00, Fr. 13.00 – 16.00 Uhr

Kosten:pro Woche € 480,-

(Bei Buchung von mehreren Kursen in der Sommerakademie ab dem 3. Kurs Ermäßigung 60,- Euro)

September 2013

Ort: Sommerakademie Hohenaschau, Cramer-Klett-Str. 15, 83229 Aschau

Zeit: 09.09. – 13.09.2013

Mo 9.00 – 12.30 Uhr, Di – Fr 9.00 – 12.00 Uhr,

Mo -Do 14.00 Uhr – 17.00, Fr. 13.00 – 16.00 Uhr

Kosten:pro Woche € 480,-

(Bei Buchung von mehreren Kursen in der Sommerakademie ab dem 3. Kurs Ermäßigung 60,- Euro)

Veranstalter: Sommerakademie Hohenaschau,

Cramer-Klett-Str. 15, 83229 Aschau

Leitung Peggy v. Cramer-Klett und Biggi Ritscher

www.sommerakademie-hohenaschau.de

Tel. Akademie-Büro 08052-788

Fax 08052-951917